Krawalle halten an: Finanzamt in Kairo in Flammen

EGYPT SOCCER CLASHES IN CAIRO
EGYPT SOCCER CLASHES IN CAIRO(c) EPA (Mohamed Omar)
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Die Ausschreitungen in Ägypten beruhigen sich nicht: Immer mehr Menschen fordern einen schnelleren Wandel. Experten raten, die geplanten Wahlen vorzuziehen.

Ein Jahr nach dem Sturz von Langzeitpräsident Hosni Mubarak macht sich Ägypten für die Wahl eines neuen Präsidenten bereit. Nach tagelangen blutigen Ausschreitungen mit mindestens zwölf Toten ist am Wochenende der Druck auf den herrschenden Militärrat gewachsen, die Macht endlich abzugeben. Ein von den Generälen eingesetztes ziviles Beratergremium sprach sich dafür aus, die Anmeldung von Kandidaturen schon ab 23. Februar zuzulassen. Ursprünglich war der Beginn des Rennens um das Amt erst Mitte April und die Präsidentschaftswahl Mitte Juni vorgesehen.

"Das Land will einen Präsidenten", titelte die Zeitung "Al-Tahrir" am Wochenende. Bisher ist vorgesehen, dass zunächst eine neue Verfassung ausgearbeitet und dann im Juni ein neuer Präsident gewählt wird. Die Demokratiebewegung will aber nicht auf die Verfassung warten.

Auch der prominenteste Bewerber um die Präsidentschaft, Amr Mussa, pochte auf einen neuen Fahrplan. Die Wahl dürfe nicht später als Ende April stattfinden. Auch über den Mitteilungsdienst Twitter äußerte er sich besorgt über die aktuelle Situation. Die Stabilität des nordafrikanischen Landes sei gefährdet, betonte der ehemalige Chef der Arabischen Liga. Deshalb sei eine Übergabe der Macht an ein vom Volk gewähltes Staatsoberhaupt dringend notwendig.

Massive Unruhen

Im Stadtzentrum Kairos kam es immer wieder zu massiven Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei. In der Nacht auf Sonntag war nach Angaben des Staatsfernsehens ein Gebäude der Steuerbehörde nahe des Innenministeriums in Brand geraten. Noch am Sonntag in der Früh lag eine Rauchwolke über dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo, wo vor einem Jahr die Proteste gegen Mubarak begonnen hatte. Diese führte schließlich zum seinem Sturz am 11. Februar 2011.  Die Sicherheitskräfte setzten erneut Tränengas ein. Laut Medienberichten wurden mehrere Polizeiwachen überfallen.

Blutiger Platzsturm in Port Said

Die jüngsten Krawalle waren am Donnerstagabend ausgebrochen, nachdem am Vortag bei einem Erstligaspiel in der Stadt Port Said bei Ausschreitungen 74 Menschen ums Leben gekommen waren. Fußballfans warfen der Polizei vor, nicht eingegriffen und weggeschaut zu haben, als Spieler und Anhänger des Kairoer Klubs Al-Ahly angegriffen wurden. Aktivisten und Menschenrechtler machen die Militärs verantwortlich. Gerüchte kamen auf, dass die Krawalle auf dem Spielfeld von bezahlten Schlägertrupps provoziert wurden, um Chaos zu stiften.

Illegale Finanzierung von Stiftungen

Die Justizbehörden kündigten unterdessen an, 40 Menschenrechtler, darunter auch Ausländer, wegen angeblich illegaler Finanzierung von Stiftungen und Hilfsorganisationen vor Gericht stellen zu wollen. Die Razzien bei 17 ägyptischen und ausländischen Organisationen, darunter die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung, hatten Ende Dezember scharfe internationale Kritik hervorgerufen. Schon im November hatte das ägyptische Justizministerium erklärt, viele zivilgesellschaftliche Gruppen seien seit dem Sturz Mubaraks im Februar illegal aus dem Ausland finanziert worden. Für mehrere US-Bürger wurde ein Einreiseverbot verhängt.

Besucherzahlen sinken

Viele Ausländer machen indes einen Bogen um die ägyptische Hauptstadt. Ein Sprecher am internationalen Flughafen Kairo sagte, die Besucherzahlen, die nach dem Umsturz vor einem Jahr bereits deutlich gesunken waren, seien in den vergangenen Tagen noch einmal um etwa 40 Prozent gesunken.

Anschlag auf die Gas-Pipeline

Unterdessen wurde am Sonntag zum zwölften Mal innerhalb eines Jahres ein Anschlag auf die Gas-Pipeline von Ägypten nach Israel verübt. Die maskierten und bewaffneten Angreifer hätten einen Sprengsatz an der Pipeline nahe der Stadt Al-Arish zur Explosion gebracht, erklärten Sicherheitsbeamte. Rettungskräfte eilten zum Anschlagsort im Norden der Sinai-Halbinsel, um das Feuer zu löschen. Berichte über mögliche Opfer lagen zunächst nicht vor

Mubarak soll verlegt werden

Der vor Gericht stehende frühere ägyptische Präsident Hosni Mubarak soll nach einem Fernsehbericht in ein Haftkrankenhaus verlegt werden. Das Innenministerium habe einer Kairoer Gefängnisklinik entsprechende Weisung erteilt, meldete der Sender Al Jazeera am Sonntag ohne Quellenangaben. Derzeit wird der langjährige Machthaber in einem Militärkrankenhaus behandelt. Sollte die Meldung zutreffen, wäre das eine Zugeständnis der Militärregierung an die Demonstranten, die sich über eine bevorzugte Behandlung des vor einem Jahr gestürzten Staatschefs beklagen.

(Ag.)

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