120 Milliarden Euro Schaden durch Korruption

Korruption, Bestechlichkeit
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Die Kommission legt ihren ersten Bericht zur Bestechlichkeit vor. Fazit: Jeder zweite EU-Bürger sieht einen Anstieg der Korruption. In Österreich ist das Unrechtsbewusstsein unterdurchschnittlich entwickelt.

Brüssel. Wann ist ein Ranking kein Ranking? Wenn es im Vorfeld der Europawahl vorgestellt wird und das heikle Thema Korruption zum Gegenstand hat. Eben diesen Eindruck konnte gewinnen, wer am gestrigen Montag die Präsentation des ersten Antikorruptionsberichts der EU-Kommission mitverfolgen konnte: Von der für innenpolitische Angelegenheiten zuständigen Kommissarin Cecilia Malmström abwärts betonten alle EU-Vertreter, dass das Konvolut keine Hitparade der Bestechlichkeit sei. „Wenn Sie ein Ranking suchen, müssen Sie sich an andere Stellen wenden“, sagte Malmström gestern.

Rein formal hat die Innenkommissarin zwar recht – dennoch gibt der Bericht einen Vergleich über die diversen Schwachstellen der EU-Mitglieder, aus dem sich drei Kernaussagen herauslesen lassen: Erstens sind 56 Prozent der befragten EU-Bürger der Ansicht, die Korruption habe im Lauf der vergangenen drei Jahre zugenommen. Zweitens kostet Korruption die EU-Wirtschaft rund 120 Milliarden Euro pro Jahr – dieser Betrag basiert auf Schätzungen der EU-Agentur zur Korruptionsbekämpfung (OLAF) und bezieht sich hauptsächlich auf den Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe.

>>> Karte: Welche EU-Bürger halten ihr Land für korrupt

Die Dunkelziffer dürfte also höher sein. Die dritte Botschaft laut Malmström: „In der EU gibt es keine korruptionsfreien Zonen.“ Selbst nordeuropäische Musterschüler hätten ihre Problemzonen – in Dänemark etwa sind es Bestechungsversuche im Ausland (z.B. bei Rüstungsaufträgen). Deutschland wiederum empfiehlt Brüssel Maßnahmen gegen das sogenannte Drehtürprinzip – also den reibungslosen Wechsel von Politikern zu Unternehmen, mit denen sie zuvor zu tun hatten. Jüngstes Beispiel für diese Praxis ist der vor wenigen Wochen angekündigte (und seither heftig debattierte) Wechsel des Ex-Kanzleramtsministers Ronald Pofalla in den Vorstand der Deutschen Bahn.

In Österreich liegt der Anteil jener, die seit 2010 eine Zunahme der Korruption registrierten, mit 44 Prozent deutlich unter EU-Schnitt. Auch der Glaube daran, dass Korruption im eigenen Land weit verbreitet ist, ist in Österreich unterdurchschnittlich ausgeprägt (66 Prozent im Vergleich zu 76 Prozent in der EU). Dem gegenüber stehen allerdings zwei Erkenntnisse, die nicht mit dieser Selbsteinschätzung übereinstimmen wollen. Demnach haben fünf Prozent der Österreicher nach eigener Angabe im Lauf des vergangenen Jahres Schmiergeld gezahlt – mehr als doppelt so viele wie im westeuropäischen Durchschnitt von rund zwei Prozent. Und Österreich ist auch das einzige westeuropäische Land, in dem das Unrechtsbewusstsein unterdurchschnittlich entwickelt ist: Fast jeder dritte Befragte war demnach bereit, einen öffentlichen Dienstleister zu schmieren.

Griechischer Spitzenwert: 99 Prozent

Gegenüber den Befunden aus Zentral- und Südeuropa nehmen sich diese Zahlen allerdings geradezu bescheiden aus. In Polen, Ungarn und der Slowakei beispielsweise mussten rund 14 Prozent der Befragten persönliche Erfahrungen mit Korruption machen – und zwar vor allem im finanziell ausgehungerten öffentlichen Gesundheitsbereich. Im krisengeschüttelten Griechenland gaben immerhin sieben Prozent an, im Vorjahr Schmiergeld in ein „Fakelaki“ (kleines Kuvert) gesteckt zu haben – dafür ist Europas Schuldner Nummer eins auch Spitzenreiter bei der gefühlten Korruption: 99 Prozent der Griechen halten Bestechlichkeit für alltäglich.

Auf Rang zwei folgt mit 97 Prozent Italien– das übrigens, so wird gemunkelt, für die verspätete Publikation des Reports verantwortlich ist. Der Bericht war nämlich für 2013 anvisiert, soll aber auf Drängen Roms verschoben (und mutmaßlich entschärft) worden sein. Brüssel empfiehlt Italien eine Beschleunigung der Gerichtsverfahren wegen Korruption (von denen jedes zehnte verjährt), einen ethischen Kodex für Staatsbeamte und Politiker sowie generell mehr Transparenz – was angesichts der Tatsache, dass Italiens Medien nach Ansicht der NGO Freedom House 2013 nur „partiell frei“ waren, eine Herausforderung sein dürfte.

Streng genommen handelt es sich bei dem EU-Bericht nicht um eine einzige Studie, sondern um eine Kompilation von zwei Eurobarometer-Umfragen unter Privatpersonen und Unternehmen, 28 länderspezifischen Kapiteln sowie einer zusammenfassenden Analyse. Eine Fortsetzung ist für 2016 geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2014)

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