EU-Kommission verlangt mehr und schnellere Abschiebungen

Die EU plant die Finanzierung von Rückkehrflügen.
Die EU plant die Finanzierung von Rückkehrflügen.APA/AFP/LOUISA GOULIAMAKI
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Ein EU-Aktionsplan empfiehlt mehr Abschiebehaft und stellt 200 Millionen Euro bereit. Österreich sei bei der Umverteilung von Flüchtlingen säumig.

Die EU-Kommission hat von den Mitgliedstaaten mehr und schnellere Abschiebungen verlangt. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos stellte am Donnerstag in Brüssel einen Aktionsplan vor, "um die Rückkehrquoten wesentlich zu erhöhen". Er verlangte unter anderem die verstärkte Nutzung von Abschiebehaft und den raschen Abschluss von Rücknahmeabkommen mit Drittstaaten.

Zur Unterstützung will die Kommission dieses Jahr 200 Millionen Euro bereitstellen. Avramopoulos verwies darauf, dass im Jahr 2015 nur 36 Prozent aller Abschiebeentscheidungen in den EU-Mitgliedstaaten tatsächlich umgesetzt worden seien. Die zügige Rückführung nicht schutzbedürftiger Migranten sei "auch ein deutliches Signal, um zu verhindern, dass sich Menschen auf die gefährliche irreguläre Reise in die EU machen".

Die Mitgliedstaaten sollten die Abschiebehaft nutzen, wo Migranten nicht kooperierten oder eine Fluchtgefahr bestehe, sagte Avramopoulos. Keinesfalls gehe es um die Einrichtung von "etwas wie einem Konzentrationslager". Die Mitgliedstaaten müssten vielmehr bestehende rechtliche Möglichkeiten ausschöpfen. Europa gewährleiste dabei die Einhaltung internationaler Standards und Verpflichtungen.

Keine Haftzentren außerhalb Europas

Haftzentren außerhalb Europas stehen laut Avramopoulos nicht auf der Tagesordnung. Es habe zwar vor einiger Zeit Ideen dazu gegeben, "aber dort sind wir nicht", sagte der Innenkommissar. Unter den EU-Mitgliedstaaten werden seit mehreren Monaten Flüchtlingslager in Nordafrika diskutiert, um Flüchtlinge dort zu versorgen, an der gefährlichen Reise über das Mittelmeer zu hindern und möglichst in ihre Heimatländer zurückzuschicken.

Die im Aktionsplan angekündigten 200 Millionen Euro sollten "für nationale Rückkehranstrengungen sowie für bestimmte gemeinsame europäische Rückkehr- und Wiedereingliederungsmaßnahmen zur Verfügung" gestellt werden, teilte die Kommission mit. Sie forderte auch EU-weit abgestimmte Wiedereingliederungspakete für Rückkehrer.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex soll bis Juni einen Mechanismus zur Finanzierung von Rückkehrflügen mit gewerblichen Airlines einrichten. Bis Oktober soll die Schulung der Behörden von Drittstaaten ausgeweitet werden. Mit Nigeria, Tunesien und Jordanien sollen rasch Rücknahmeabkommen abgeschlossen und die Zusammenarbeit mit Marokko und Algerien verstärkt werden.

Brüssel fordert Solidarität mit Italien und Griechenland

Schließlich forderte die Kommission die EU-Regierungen zu einer "koordinierten und effektiven Nutzung der kollektiven Hebelwirkung" der Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten auf, um dort die Rücknahmebereitschaft zu erhöhen. Die Abkommen sehen unter anderem eine verstärkte finanzielle Unterstützung betroffener Länder in Afrika vor, wenn diese mit der EU in der Rücknahmefrage kooperieren.

Avramopoulos erneuerte die Kritik an der schleppenden Umverteilung von Flüchtlingen in der EU. Alle Mitgliedsstaaten müssten Solidarität mit Hauptankunftsländern wie Italien und Griechenland zeigen und Asylbewerber aufnehmen, sagte er. Er bekräftigte, dass die Kommission auch Vertragsverletzungsverfahren einleiten könne, wenn Regierungen in den kommenden Monaten weiter die Flüchtlingsaufnahme verweigerten. Vorerst setze die Kommission aber weiter auf Überzeugung.

Die EU hatte 2015 beschlossen, bis September 2017 insgesamt 160.000 Flüchtlinge aus Hauptankunftsländern wie Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten zu verteilen. Nach nun veröffentlichten Zahlen ist das bisher aber erst bei 13.546 Flüchtlingen erfolgt. 9610 kamen dabei aus Griechenland und 3936 aus Italien.

Tempo hinter monatlichen Zielvorgaben

Zwar verweist die Kommission darauf, dass im Februar mit 1940 Umverteilungen ein neuer Monatsrekord verzeichnet werden konnte. Doch bleibe das Tempo nach wie vor hinter den Erwartungen sowie hinter der vom EU-Gipfel gebilligten Zielvorgabe von monatlich mindestens 3000 Umverteilungen aus Griechenland und 1500 Umverteilungen aus Italien zurück.

Deutschland nahm bisher 2626 Menschen aus beiden EU-Ländern auf und damit nach Frankreich die höchste Zahl. Österreich, Ungarn und Polen verweigern bisher komplett die Teilnahme. Die EU-Kommission kritisierte am Donnerstag die drei Länder wegen ihrer Ablehnung der Umverteilungsregel für Flüchtlinge. Andere Staaten wie Tschechien, Bulgarien, Kroatien und die Slowakei würden sich nur in sehr eingeschränktem Maß beteiligen. Die Brüsseler Behörde forderte den maltesischen EU-Ratsvorsitz auf, beim EU-Innenrat im März Folgemaßnahmen gegen säumige Länder zu verlangen.

Fortschritte ortet die Kommission dagegen bei der Neuansiedlung. Bisher seien 14.422 Personen sichere und legale Wege in die EU geöffnet worden, was mehr als der Hälfte der im Rahmen der EU-Neuansiedlungsregelung vereinbarten 22.504 Personen entspreche.

(APA/AFP)

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