Großbritannien–EU: Startschuss für den Brexit

Das britische Unterhaus beriet am Montag ein letztes Mal über das Brexit-Gesetz.
Das britische Unterhaus beriet am Montag ein letztes Mal über das Brexit-Gesetz. (c) APA/AFP/HO
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Die Regierung setzt sich im Unterhaus mit großer Mehheit durch – und will nun noch abwarten. Mehrere Termine sprechen für einen späteren Brexit-Start.

London. Mit großer Mehrheit hat die britische Regierung im Unterhaus ihre Position für die Einleitung der EU-Austrittsverhandlungen nach Artikel 50 durchgesetzt. Nachdem die Abgeordneten Montagabend in London beide Änderungsanträge des Oberhauses ablehnten, war das endgültige Inkrafttreten des Gesetzes nur mehr eine Formsache. Obwohl Premierministerin Theresa May damit bereits Dienstagnachmittag ausgestattet mit der Vollmacht zur Einleitung des Brexit vor das Unterhaus treten könnte, will die Regierung mit diesem Schritt nun offenbar noch zuwarten.

So trat die Regierung schon vor der Abstimmung im Unterhaus den Spekulationen der vergangenen Tage entgegen, dass Großbritannien bereits heute den Austritt aus der EU erklären könnte. „Wir haben immer klar gesagt, dass Artikel 50 bis Ende März ausgelöst werden wird“, erklärte ein Regierungssprecher. Ein namentlich nicht genannter Minister schloss den Beginn des Prozesses vor den Wahlen in den Niederlanden am Mittwoch und den Feiern zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge am 25. März aus.

Obwohl die Regierung nun wieder einen Schritt zurückweicht, dementierte sie jede Verzögerung im Brexit-Prozess. Zuvor hatte allerdings gestern die schottische Regionalregierung gestern London mit der Ankündigung einer neuerlichen Volksabstimmung über die Unabhängigkeit klar die Show gestohlen. Während Premierministerin Theresa May den schottischen Nationalisten „eingeschränkten Horizont“ vorwarf, sprachen sich in einer ersten Umfrage 65 Prozent der Briten gegen ein neues Referendum in Schottland aus, nachdem die Schotten erst 2014 für den Verbleib in Großbritannien gestimmt hatten.

Trotz dieser Turbulenzen hatte die konservative Regierung dann im Unterhaus keine Schwierigkeiten, ihre Position durchzusetzen. Das Oberhaus hatte Zusätze gefordert, mit denen die Rechte von EU-Ausländern in Großbritannien garantiert werden und dem Parlament eine „sinnvolle“ Abstimmung über das Verhandlungsergebnis eingeräumt werden sollte. Zwar sprach Brexit-Minister David Davis von einer „moralischen Verpflichtung“ gegenüber den EU-Bürgern, blieb aber jede konkrete Zusage schuldig.

Wie schon in den vorangegangenen Brexit-Debatten hatte die oppositionelle Labour Party gegen das (fast) geschlossene Auftreten der Regierung nichts zu bestellen. „Labour ist in völliger Auflösung und hat keine Strategie“, erklärte Simon Tilford vom Thinktank Centre for European Reform der „Presse“. Auch die Forderung des Brexit-Sprechers der Partei, Keir Starmer, nach Mitsprache des Parlaments, „zur Verhinderung des gefährlichen Wegs, auf den uns diese Regierung führt“, fand keine Mehrheit.

Ähnliche Sorgen äußerte im Vorfeld der Parlamentsentscheidung der außenpolitische Ausschuss des Unterhauses. Angesichts der harten Positionen der Regierung sei „die Möglichkeit, dass es zu keiner Einigung kommt, real genug, um dafür Vorkehrungen zu treffen“, verlangte das Gremium. May hat wiederholt erklärt, sie wolle „lieber keinen Deal als einen schlechten Deal“. Brexit-Minister Davis räumte ein, dass es sehr wohl alternative Pläne für den Fall eines Scheiterns der Gespräche gebe.

Sondergipfel im April

Wann immer diese nun beginnen werden, auch aufseiten der EU werden dieser Tage letzte Vorbereitungen für den Beginn des Brexit getroffen. Nach Eintreffen einer formellen britischen Notifizierung in Form eines Schreibens an EU-Ratspräsidenten Donald Tusk werden die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten am 6. und 7. April zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkommen, wo die Verhandlungsrichtlinien abgesegnet werden sollen. Artikel 50 des Gemeinschaftsvertrags sieht eine Verhandlungsdauer von zwei Jahren vor.

Die Austrittsgespräche mit London wird die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten führen. Ihr Verhandlungsleiter ist Ex-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, während auf britischer Seite Brexit-Minister Davis zuständig sein wird. Die Vorwürfe mangelnder Planung wies er zurück. „Selbstverständlich haben wir Vorbereitungen getroffen“, erklärte er.

Außenminister Boris Johnson meinte hingegen, zwar sei er zuversichtlich, dass es zwischen Brüssel und London zu einer Vereinbarung kommen werde, aber: „Kein Deal ist auch okay.“ Davis bestätigte, dass Großbritannien im März 2019 nicht mehr Mitglied der EU sein werde - mit oder ohne Einigung. Oder wie die bekannte Gameshow heißt: „Deal or No Deal.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2017)

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