EU-Gipfel: Zeit für eine Asylreform drängt

Noch ein Kaffee à deux vor dem Gipfeltreffen der 28: Merkel und Macron sind die Hauptakteure einer möglichen EU-Reform.
Noch ein Kaffee à deux vor dem Gipfeltreffen der 28: Merkel und Macron sind die Hauptakteure einer möglichen EU-Reform.(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
  • Drucken

An Ideen mangelt es den EU-Regierungen bei der Reform der gemeinsamen Flüchtlingspolitik nicht. Aber die gescheiterte Verteilung paralysiert noch immer die Gemeinschaft.

Wien. Der Zeitplan ist ambitioniert: Geht es nach Ratspräsident Donald Tusk, soll eine Einigung über die Reform des gescheiterten Dublin-Systems, das die Zuständigkeit bei Asylverfahren regelt, bereits bis Mitte 2018 – also noch vor Beginn der österreichischen Ratspräsidentschaft – realisiert werden. Der Pole legte den Staats- und Regierungschefs beim gestern begonnenen EU-Gipfel in Brüssel ein entsprechendes Programm vor. An eine verbindliche und dauerhafte Quote zur Aufteilung der Ankommenden glaubt Tusk nicht mehr. Gleichzeitig drängen die meisten Mitgliedstaaten darauf, den Schutz der Außengrenzen zu verbessern und den Kampf gegen illegale Migration sowie die konsequentere Abschiebung von abgelehnten Asylwerbern voranzutreiben.

Trotz des gemeinsamen Willens ist großer Optimismus nicht angebracht. Seit Jahren steht das Thema Migration auf der Agenda aller Ratstreffen ganz oben – bisher ohne nennenswerte Fortschritte. Die missglückte Verteilung von Flüchtlingen hat die EU in ihrer gemeinsamen Migrationspolitik paralysiert. Erst Ende September zog die EU-Kommission eine ernüchternde Bilanz des 2015 beschlossenen Relocation-Systems zur Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus den Mittelmeerländern Griechenland und Italien auf den Rest der EU: Nur 26,3 Prozent der Ziele wurden erfüllt. Polen und Ungarn verweigerten sich dem Mechanismus völlig.

Kürzungen der EU-Mittel

Das Europaparlament stellte Ländern, die Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme verweigern, am gestrigen Donnerstag die Rute ins Fenster: In einem Reformvorschlag für die Dublin-Regeln fordern Abgeordnete des zuständigen Innenausschusses Kürzungen der EU-Mittel bei Nichterfüllung der Quote. „Aufnahmeverweigerer“ sollen künftig keine Gelder für die Abschiebung abgelehnter Asylwerber erhalten, heißt es. Laut Parlamentskreisen haben auch osteuropäische Abgeordnete der Forderung zugestimmt. Den Vorschlag der Kommission vom Frühjahr, eine Strafzahlung von 250.000 Euro für jeden abgelehnten Flüchtling einzuführen, lehnen die Parlamentarier jedoch ab.

Im Gegensatz zu Tusk halten die Abgeordneten nach wie vor einen Mechanismus zur künftigen Verteilung von Flüchtlingen für nötig. Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsleistung eines Landes sollten über die Anzahl der aufzunehmenden Asylwerber entscheiden. Zur Erinnerung: Das derzeitige System sieht vor, dass in den meisten Fällen jenes EU-Land für ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling erstmals europäischen Boden betreten hat. Während der Flüchtlingswelle 2015 hat sich das System jedoch als unfair für jene Länder erwiesen, die am Rand der EU liegen: Sie konnten dem enormen Druck nicht standhalten und schickten die Flüchtlinge nach Norden weiter.

Macron für Reform

Nach Parlament und Kommission sind nun also die Mitgliedstaaten am Wort. Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, hat vorgeschlagen, die Flüchtlinge bereits in Nordafrika zu stoppen. Er tritt für den Aufbau von Registrierungszentren ein. Dort sollen Migranten die Möglichkeit erhalten, ihren Asylgrund prüfen zu lassen. Jene, die offensichtlich Anspruch auf den Flüchtlingsstatus haben, könnten dann von EU-Mitgliedstaaten aufgenommen werden. Der Rest würde zurückgewiesen. Der Plan lässt sich allerdings nur verwirklichen, wenn die Transitländer mit der EU kooperieren.

Außerdem fordert Macron ein gemeinsam finanziertes europäisches Programm zur Integration und Ausbildung von Flüchtlingen. Ebenso wie die österreichische Regierung möchte der französische Präsident den Schutz der Außengrenze verbessern. Frontex soll dafür zu einer gemeinsamen europäischen Grenzpolizei umgewandelt werden. Auch hier wurde zwar eine Reform in Angriff genommen. Von einem gemeinsamen Grenzschutz ist die EU aber noch weit entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europäischer Rat

Europas Chefs werden ungeduldig

Zuwanderung, Schengen, Verteidigung: Europas sicherheitspolitische Reformen ziehen sich dahin. Die Staats- und Regierungschefs wollen die Dinge nun auf ihrem Gipfeltreffen verstärkt selber in die Hände nehmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.