EU-Verteidigungspakt beschlossen: "Kein Rütteln an der Neutralität"

Es könnte Sebastian Kurz' letzter Auftritt als Außenminister auf EU-Ebene gewesen sein - im Bild mit seinen Amtskollegen Didier Reynders aus Belgien und Alfonso Dastis aus Spanien.
Es könnte Sebastian Kurz' letzter Auftritt als Außenminister auf EU-Ebene gewesen sein - im Bild mit seinen Amtskollegen Didier Reynders aus Belgien und Alfonso Dastis aus Spanien.APA/AFP/EMMANUEL DUNAND
  • Drucken

23 Staaten sind Teil der militärischen Zusammenarbeit namens PESCO. Österreich geht damit verpflichtende Bedingungen ein - etwa die Teilnahme bei EU-Kampftruppen.

Die EU hat einen großen Schritt in Richtung Verteidigungsunion unternommen: Die Außen- und Verteidigungsminister von 23 EU-Staaten, darunter auch Österreich, haben am Montag in Brüssel feierlich die "Ständige Strukturierte Zusammenarbeit" in Militärfragen (PESCO, Permanent Structured Cooperation) aus der Taufe gehoben. Sie soll die EU unabhängiger von den USA machen und zu einer engen Kooperation bei Rüstungsprojekten führen.

"Heute ist ein großer Tag für Europa, denn wir gründen heute die Sicherheits- und Verteidigungsunion", erklärte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei ihrem Eintreffen. Es sei wichtig gewesen, "gerade nach der Wahl des amerikanischen Präsidenten (Donald Trump) - uns eigenständig aufzustellen". "Das wird allemal preiswerter und billiger als die jetzige Form der europäischen Verteidigungspolitik", sagte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel Montag nach dem Rat.

Kurz sieht Kooperation im "Einklang mit der Neutralität"

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht in der Beteiligung Österreichs an der gemeinsamen strukturierten europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO) "kein Rütteln an der Neutralität". Nach dem EU-Rat der Außen- und Verteidigungsminister Montag in Brüssel sagte Kurz, die Neutralität sei "Teil der österreichischen Identität".

Österreich könne sich beispielsweise im Ausbildungsbereich an PESCO beteiligen. Positiv sieht Kurz, dass sich die Staaten "sogar was sparen können - durch gemeinsamen Einkauf und durch Koordination". Es sei bekannt, dass die Europäer teilweise pro Stück Militärgerät wesentlich mehr ausgeben als in anderen Regionen der Welt. Lob gab es von Kurz für Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, der wegen der Teilnahme an der SPÖ-Bundesparteipräsidiums-Sitzung verhindert war. "Ich möchte mich bei Doskozil bedanken. Wir haben in den letzten Jahren immer ausgezeichnet zusammengearbeitet und auch die Vorbereitung der Unterzeichnung von PESCO gemeinsam getragen".

Wichtig sei PESCO auch beim Außengrenzschutz. Man könne Griechenland und Italien es nicht allein überlassen, die Situation an den Außengrenzen unter Kontrolle zu bringen. "Es kann auch nicht Aufgabe einzelner Staaten sein, allein für den Außengrenzschutz zu sorgen". Hier bedürfe es "dringend einer stärkeren Kooperation".

Zur Neutralität merkte Kurz an, diese sei ein "Teil der österreichischen Identität, an der wird nicht gerüttelt. Wir sind insofern mit der Neutralität im Rahmen, was eine künftige verstärkte Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich betrifft. Aber wir werden uns rechtlich genau ansehen, dass das Ziel der verstärkten Zusammenarbeit nicht staatlichen Regelungen, auch nicht der Neutralität, widerspricht. Sonst hätten wir von Anfang an nicht mitgemacht".

20 bindenden Verpflichtungen

PESCO ermöglicht den Staaten ausgesuchte Verteidigungsprojekte gemeinsam umzusetzen. Die teilnehmenden EU-Staaten müssen ihrerseits, wie es in der Gründungsurkunde festgehalten ist, 20 bindendende Verpflichtungen eingehen - darunter auch "regelmäßig real steigende Verteidigungsbudgets".

Künftig sollen laut PESCO 20 Prozent der gesamten Verteidigungsausgaben aller Mitgliedsländer in Investitionen und zwei Prozent in Forschung und Entwicklung fließen. Die teilnehmenden Staaten müssen auch "substanziell" zu EU-Kampftruppen beizutragen und an den Übungen für Einsätze teilnehmen.

Projekte können noch eingebracht werden

Nicht dabei sind Großbritannien, Dänemark, Irland, Malta und Portugal - ein Teil dieser Länder könnte sich aber noch später anschließen. Der eigentliche und rechtlich verbindliche Ratsbeschluss zur Gründung von PESCO soll Mitte Dezember vor einem EU-Gipfel in Brüssel erfolgen.

Bis dahin können laut EU-Diplomaten Staaten noch Projekte einbringen. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge liegen bereits 47 Projekte vor. Aus Wien hieß es bisher, Österreich könnte sich im Rahmen der PESCO durch zwei Projekte einbringen, nämlich durch die Gebirgsjäger-Ausbildung und durch ein Industrieprojekt zu Cybertechnik und Luftsensorik.

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Europa

EU-Staaten beschließen Startschuss für Verteidigungsunion

Der Beschluss der EU-Staaten ist der erste Schritt zu einer gemeinsamen Verteidigung. Damit will die Union in Rüstungsfragen unabhängiger von den USA werden. Österreich beteiligt sich an vier Projekten.
Europas Armeen wollen ihre Waffensysteme besser aufeinander abstimmen.
Analyse

In Babyschritten zur EU-Verteidigung

Der „Meilenstein“ zur Verteidigungsunion, der am Montag unterzeichnet wurde, ist in Wahrheit nur eine Kooperation im Beschaffungswesen. Operativ gibt es keine Neuerungen.
FRANFrankreich strebt als führende militärische Macht Europas nach einer stärkeren Verteidigungszusammenarbeit der Staaten.CE-MILITARY-WEATHER-HURRICANE-IRMA-JOSE-AID
Europa

Verteidigungspolitik: Militärische Zeitenwende

Der Brexit, Trumps Isolationismus und Macrons Drängen lassen die EU-Staaten militärisch näher zusammenrücken.
Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ)
Europa

Doskozil: Österreich beteiligt sich an EU-Militärzusammenarbeit

Die Republik wird Teil der "Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit" werden, kündigt der Verteidigungsminister an. Österreichs Neutralität beeinflusse das nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.