Juncker-Fonds für Kinderkrippenplätze

Věra Jourová.
Věra Jourová.(c) REUTERS (FRANCOIS LENOIR)
  • Drucken

Justizkommissarin Jourová greift erneut die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen an. Im Wissen um ihre schmalen rechtlichen Möglichkeiten will sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern.

Brüssel. Wenn es nach dem Willen von Justizkommissarin Věra Jourová geht, sollen die europäischen Fördertöpfe nun auch für die Finanzierung von Kindergärten, Kinderkrippen und Pflegediensten für Ältere eingesetzt werden. „Wir schlagen vor, dass die Mitgliedstaaten mehr öffentliche Investitionen für soziale Einrichtungen aufwenden. Und es gibt die Empfehlung, auch EU-Förderungen dafür einzusetzen. Das sind produktive Investitionen, denn sie entfesseln das Potenzial arbeitender Eltern, die somit schneller auf den Arbeitsmarkt zurückkehren können“, sagte sie am Freitag im Gespräch mit der „Presse“.

Die Europäische Kommission sehe die Frage, ob aus den Strukturfonds und vor allem dem Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) nicht nur „harte“ bauliche Infrastruktur bezahlt, sondern auch „weiche“ öffentliche soziale Dienstleistungen gefördert werden könnten, nun anders als früher. „Wir haben viele Fakten und Zahlen, die belegen, dass solche sozialen Investitionen sich rechnen“, erklärte die Kommissarin.

Unklarer Finanzrahmen

Theoretisch geht es um enorme Geldsummen. Die Strukturfonds machen mit rund 352 Milliarden Euro knapp ein Drittel des Rahmenhaushaltes der Jahre 2014 bis 2020 aus. Der EFSI, besser bekannt als Juncker-Fonds, weil der Kommissionsvorsitzende, Jean-Claude Juncker, seine Schaffung angestoßen hat, kombiniert unter Verwaltung der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Luxemburg bis Ende 2018 Garantien im Umfang von 16 Milliarden Euro aus dem Unionshaushalt sowie fünf Milliarden Euro aus dem Budget der EIB, um damit private Investitionen von erhofften 315 Milliarden Euro zu ermöglichten. Doch viel von diesem Geld wird von den Mitgliedstaaten nicht abgerufen, weil es an geeigneten Projekten fehlt oder weil die zuständigen Behörden die komplexen Beantragungsprozeduren nicht bewältigen. Paradoxerweise fallen somit gerade jene Länder in Ost- und Südeuropa, welche diese Brüsseler Anschubhilfe benötigten, besonders oft um ihnen zugesagte Mittel um.

In der Praxis ist allerdings völlig unklar, wie viel von diesen Summen tatsächlich in soziale Dienstleistungen umgeleitet werden kann. Schon jetzt sehen die Vergabegrundsätze für diese Gelder vor, dass sie die Gleichheit zwischen den Geschlechtern fördern und Diskriminierung am Arbeitsmarkt bekämpfen sollen. Doch die bisherigen Ausgaben aus dem Juncker-Fonds für solche Maßnahmen waren minimal: 2014 und 2015 seien nur 14,5 Millionen Euro für geschlechterspezifische Projekte abgerufen worden, teilte die Kommission auf Anfrage der „Presse“ mit. Kinderkrippenplätze oder Pflegedienste waren nicht dabei.

Unterstützung für #metoo-Kampagne

Die Kommissarin erklärte überdies ihre Unterstützung der über die sozialen Medien rasant gewachsenen Kampagne gegen sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt, die unter dem Stichwort #metoo läuft. „Ich schätze diese Kampagne, weil sie zeigt, wie weit verbreitet dieses Problem ist.“ Die Kommission selbst habe im vorigen Jahr 13 Fälle von Anzeigen sexueller Belästigung in ihren Diensten erhalten. In vier Fällen habe es Sanktionen gegeben. Jourová gab allerdings auch zu bedenken, dass es aggressive Reaktionen auf Frauen gebe, die sich mittels #metoo als Opfer sexueller Gewalt outen. In Europa gebe es zwischen den östlichen und westlichen Gesellschaften klare kulturelle Unterschiede: „Im Osten herrscht oft die Wahrnehmung, dass Frauen, wenn sie gleiche Rechte für sich einfordern, ein wie auch immer geartetes Gleichgewicht in der Gesellschaft zerstören.“ Sie sei im Gegensatz zu ihrer Amtsvorgängerin Viviane Reding nicht für die positive Diskriminierung von Frauen in Aufsichtsratsposten. Ihr eigener, abgeschwächter Vorschlag wird allerdings im Rat derzeit von Deutschland, Ungarn, Polen, den Niederlanden und Schweden blockiert.

ZUR PERSON

Věra Jourová ist seit November 2014 Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Die Tschechin (Jahrgang 1964) war zuvor in ihrem Heimatland Ministerin für regionale Entwicklung. Sie gehört der politischen Bewegung ANO 2011 an. [ Reuters ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.