Unionshaushalt 2021–2027

Plastiksteuer zur Finanzierung der EU

(c) REUTERS
  • Drucken

In Brüssel wünscht man sich trotz Ausscheidens der Briten mehr Geld kraft neuer politischer Aufgaben. Die Nettozahler halten davon nichts – und greifen Tabus an.

Brüssel. Der Budgetkommissar schlägt vor, Plastik zu besteuern, in Frankreich erklärt man die bisher sakrosankten Agrarförderungen nicht mehr für tabu, und über allem schwebt die Tatsache, dass sich der zweitgrößte Nettozahler im Jahr 2019 verabschiedet: Das Ringen um den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen der Union befördert unkonventionelle Ideen zur Lösung der Frage, wie allseits gewünschte neue Aufgaben – allen voran in der Sicherung der Außengrenzen und der Steuerung der Migration sowie der Sicherheitspolitik – nach dem Wegfall von jährlich bis zu 13 Milliarden Euro an Beitragszahlungen aus London finanziert werden sollen.

Neue Einnahmequellen

Am Montag und Dienstag veranstaltete die Kommission eine Konferenz, auf welcher Politiker und Fachleute die Zukunft der europäischen Finanzen diskutierten. Günther Oettinger, der deutsche Haushaltskommissar, schlug dabei unter anderem vor, dass die Union in Form einer Plastiksteuer eine neue eigene Einnahmenquelle erhalten soll: „Kunststoffe sind ein ganz großes Umweltproblem. Wir verpacken zu viel. Die Chinesen haben nun dichtgemacht. Sie haben uns früher alte Kunststoffe abgenommen, daraus Spielzeug produziert. Sollten wir nicht eine Besteuerung der Produktion von Plastik und Kunststoffen einführen?“

Wie das funktionieren soll, und wie hoch die Einnahmen wären, die er sich davon erwartet, führte Oettinger nicht aus. Klar hingegen war seine Forderung nach der Gesamthöhe, welche der Haushalt in den Jahren 2021 bis 2027 haben sollte: mindestens 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung Europas.

An dieser Zahl verläuft die wichtigste von mehreren Fronten in diesen Haushaltsverhandlungen. Denn mehrere Regierungen von Nettozahlerländern haben bereits erklärt, nach dem Brexit mit Sicherheit nicht mehr in den gemeinsamen Geldtopf einzahlen zu wollen. „Die EU-Ausgaben müssen sinken. Eine Ausgabendecke von einem Prozent ist ausreichend“, sagte stellvertretend für den Animus, der in Wien, Berlin und Den Haag herrscht, Schwedens Finanzstaatssekretär, Max Elger, am Dienstag bei der Budgetkonferenz.


Derzeit liegt die Größe des Unionshaushaltes unter dem, was sich Oettinger (und mit ihm das Europaparlament) wünscht, aber über dem, was Elger und die anderen Vertreter der Nettozahler fordern. Das heurige Budget zum Beispiel macht 1,02 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung aus.

Wenig überraschend ist für Kommissionschef Jean-Claude Juncker ein Ein-Prozent-Haushalt zu wenig. Mit Verweis auf die Kosten der Bewältigung des Migrationsdrucks sowie neue EU-Programme für die Finanzierung von Rüstungsprojekten sagte Juncker am Montag: „All das kann nicht mit einem Prozent von Europas Wohlstand bezahlt werden.“

Schlachthof für heilige Kühe?

Doch letztlich sind die Mitgliedstaaten die Herren des Budgets. Es hilft Juncker in seiner Argumentation zudem nicht, dass die von Brüssel stets als unerlässlich für den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt Europas beworbenen Kohäsionsmittel ausgerechnet von den ärmsten Ländern und Regionen, die sie am meisten brauchen, zu wenig genutzt werden.

Insofern überrascht es nicht, dass der Schwede Elger die Kohäsionspolitik gemeinsam mit der Agrarpolitik als Streichkandidaten hervorhob: „Die müssen signifikant reduziert werden.“ Erstaunlich hingegen ist, dass Frankreich nun bereit ist, Kürzungen in der Agrarpolitik hinzunehmen. Präsident Emmanuel Macron hatte dies im September in seiner Rede an der Sorbonne-Universität angedeutet, das französische Fachmedium „Contexte“ veröffentlichte nun ein interministerielles Schreiben vom Dezember, in dem zwischen den Zeilen zu lesen ist, dass Agrar- und Kohäsionspolitik radikal umgebaut werden müssen.

Die gemeinsame Agrarpolitik war traditionell für Paris nicht verhandelbar. Doch in jüngerer Vergangenheit ist Frankreich nicht nur gesamt, sondern auch bei den Landwirtschaftsförderungen zum Nettozahler geworden. Das erleichtert Macron das Schlachten der einen oder anderen heiligen Kuh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die EU will den Plastikmüll reduzieren, streitet aber noch über die Maßnahmen. Das Bild stammt von der Küste vor Honduras.
Europa

EU-Kommission: Bis 2030 alle Plastikverpackungen wiederverwertbar

Kommissions-Vizepräsident Timmermans hält es für unmöglich, Kunststoffe zu verbieten. 700.000 Kilogramm Plastik würden pro Sekunden in den Meeren verschwinden.
Kommentar

Österreich in der EU-Budget-Falle

Wenn die Regierung ein kleineres EU-Budget will, könnten sich die Nettozahlungen sogar erhöhen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.