Keine grenzenlose Europawahl

Ab 2019 werden im Europaparlament 46 Abgeordnete weniger die Interessen der Bürger vertreten.
Ab 2019 werden im Europaparlament 46 Abgeordnete weniger die Interessen der Bürger vertreten.REUTERS
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Der links-liberale Vorstoß, transnationale Listen auf die Stimmzettel zu bringen, ist klar gescheitert. Das ist ein Rückschlag für Frankreichs Präsidenten Macron.

Brüssel. Nichts wird es mit dem Wunsch der Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen, bei den nächsten Europawahlen im Mai 2019 transnationale Kandidatenlisten zu nominieren. Mit 431 zu 182 Stimmen (bei 61 Enthaltungen) erhielt ein dementsprechender Antrag am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg eine klare Abfuhr. Die Europäische Volkspartei hatte es als stärkste Fraktion gemeinsam mit Parteiengruppen links und rechts der Mitte abgelehnt, bis zu 46 Abgeordnete auf diese Weise zu wählen.

„Nicht nur gibt es keine rechtliche Grundlage für so ein Experiment, sondern wir sehen auch ein weiteres von Eliten vorangetriebenes Projekt in Europa, das letztlich die EU nur noch mehr von den Wählern entfernen wird, als sie es schon ist“, erklärte der ungarische EVP-Abgeordnete György Schöpflin. Demgegenüber sprachen die Grünen von einem „schwarzen Tag für die europäische Demokratie.“

Österreich bekommt ein Mandat dazu

Dieses Vordringen, erstmals grenzenlose Kandidatenlisten aufzustellen, die für jeden Wähler in allen Mitgliedstaaten gleich ausgesehen hätten, hatte als Folge des Brexit Auftrieb erhalten. Mit dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus der Union werden die 73 Sitze der britischen Europaabgeordneten frei. Das hatte die Fantasie europäischer Föderalisten beflügelt, die damit gegen die sinkende Wahlbeteiligung bei den Europawahlen kämpfen wollten.

Doch nüchtern betrachtet führte dieses Bestreben in eine Sackgasse. Denn das Europaparlament ist nicht dafür zuständig, seine Zusammensetzung festzulegen. Das tun die Staats- und Regierungschefs. Das Parlament kann deren Beschluss nur zustimmen oder ihn ablehnen. Zweiteres ist aber in der politischen Realität unmöglich.

Letztlich läuft es nun auf eine Verkleinerung des Parlaments von 751 auf 705 Mandatare hinaus. 27 Sitze aus der „Brexit-Beute“ werden auf jene Mitgliedstaaten verteilt, deren Bürger bisher relativ betrachtet wenig Gewicht in der Kammer hatten. Somit erhält Österreich, wie „Die Presse“ bereits im September vorigen Jahres berichtete, einen Sitz dazu und wird 19 Abgeordnete wählen.

Macrons Spitzenkandidatenproblem

Einigkeit herrschte hingegen parteienübergreifend darin, das bei der Wahl 2014 erstmals angewendete Spitzenkandidatenprinzip gegen den Widerstand einiger nationaler Regierungen beibehalten zu wollen. Dieses besagt, dass die Parteienfamilien Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten nominieren und nur der Kandidat der stimmenstärksten Gruppe vom Europaparlament bestätigt wird.

Das ist für die europapolitischen Vorhaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron problematisch. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Macron viel von der liberalen dänischen Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hält. Seine Bewegung „La République en Marche!“ gehört aber noch keiner europäischen Partei an. Die größte Nähe besteht zu den Liberalen, sie werden aber 2019 nicht die meisten Mandate gewinnen. Die Idee der transnationalen Listen wurde deshalb diskret von Paris unterstützt, um Rückenwind für einen Kandidaten von Macrons Gnaden zu erzeugen.

Vizepräsident Czarnecki entmachtet

Ebenfalls am Mittwoch fällte das Parlament die lange erwartete Entscheidung, seinen Vizepräsidenten Ryszard Czarnecki abzusetzen. Grund dafür war, dass der Vertreter der rechtskonservativen polnischen Regierungspartei PiS seine Landsfrau Róża Maria Gräfin von Thun und Hohenstein von der liberalkonservativen PO wiederholt als „szmalcownik“ verunglimpft hatte. Mit diesem Wort bezeichnete man Polen, die Juden gegen Geld an die Nazis verraten hatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2018)

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