Fake News: Brüssel schont Silicon Valley

EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel.
EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel.(c) APA/AFP/EMMANUEL DUNAND (EMMANUEL DUNAND)
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Expertengruppe von Digitalkommissarin Gabriel empfiehlt im Kampf gegen Desinformation Selbstregulierung der sozialen Medien.

Brüssel. Was soll man gegen die rasante Verbreitung mutwillig verfälschter Meldungen auf Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter tun – also das, was der Volksmund spätestens seit den merkwürdigen Begleitumständen der US-Präsidentenwahl vor zwei Jahren als Fake News kennt? Darauf hoffen, dass sich die im Silicon Valley ansässigen Konzerne selbst regulieren, lautet die Quintessenz eines Berichts, den eine Gruppe von Fachleuten für EU-Digitalkommissarin Mariya Gabriel nach dreimonatigen Beratungen am gestrigen Montag in Brüssel vorgestellt hat.

Keine Pflicht

Die Europäische Kommission solle „in einem ersten Schritt“ erwägen, wie sie einen „allgemeinen, europaweiten Praxiskodex fördern kann, der die jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten relevanter Akteure wiedergibt, vor allem der Onlineplattformen, Medien-, Faktenprüfer- und Forschungsorganisationen“, heißt es in den Schlussfolgerungen der Gruppe von Fachleuten. Von der Einführung einer gesetzlichen Pflicht für die Onlinekonzerne, ihre Daten in anonymisierter Form für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich zu machen, um die Verbreitung von Desinformation besser studieren zu können, ist in dem Bericht nichts zu lesen.

Facebook, Twitter, Google und die anderen Oligopolisten dieses dynamischsten Marktes unserer Zeit werden nur dazu angehalten, dies freiwillig zu tun. Wie unwahrscheinlich es ist, dass sie sich diesem Wunsch beugen werden, hält der Bericht jedoch klar lesbar fest: „Mehr Daten von den Plattformen würden auch den Bedürfnissen der Werbekunden entsprechen, indem es mehr Transparenz darüber erlauben würde, wie ihre Anzeigen platziert werden.“

Intransparente Algorithmen

Doch genau auf dieser Intransparenz bei der Programmierung ihrer streng geheimen Algorithmen fußt das Geschäftsmodell von Silicon Valley. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager geht genau diesem Problem in ihrem Verfahren gegen Google auf den Grund.

Digitalkommissarin Gabriel kündigte für den 24. April einen Aktionsplan mit Maßnahmen gegen Desinformation an. Gesetzesvorschläge werde er nicht enthalten, sagte sie. Somit wird es der nächsten Kommission ab 2020 obliegen, eventuell mit den Mitteln des Rechts gegen dieses Problem vorzugehen.

„Vogel-Strauß-Politik“

Der europäische Verbraucherschutzverband BEUC stimmte als einziges Mitglied des Expertenrats gegen den Bericht und nannte ihn wegen dieses Fehlens verpflichtender Maßnahmen ein Beispiel für „Vogel-Strauß-Politik“. Die Europäische Kommission solle, wie sie dies andernorts tut, den Werbemarkt auf Onlineplattformen auf missbräuchliche Praktiken untersuchen, fordert BEUC in einer Aussendung. (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2018)

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