Brexit: „Lasst die Briten Belgier sein“

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker REUTERS
  • Drucken

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fordert Brüssel dazu auf, britischen EU-Beamten die belgische Staatsbürgerschaft zu gewähren.

Wien/Brüssel. Nach dem Brexit im März 2019 verlieren Tausende Briten, die auf dem europäischen Kontinent leben, die EU-Staatsbürgerschaft. Das betrifft freilich auch jene EU-Beamten, die seit vielen Jahren in Brüssel beschäftigt sind. Einige von ihnen haben bereits um einen belgischen Pass angesucht, um weiterhin ohne Schwierigkeiten in einer EU-Institution arbeiten zu können – doch vergebens: Brüssel hat bisher die meisten Anfragen abgelehnt, weil ein EU-Beamter diplomatenähnlichen Status genießt und nicht ins belgische Steuersystem fällt. Dies aber gilt in Belgien als Voraussetzung für die Gewährung der Staatsbürgerschaft.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, in dessen Behörde selbst mehr als tausend Briten beschäftigt sind, will, dass EU-Beamte aus dem Vereinigten Königreich nicht länger der Unsicherheit ausgesetzt sind. Viele seiner Leute hätten Angst, nach dem Brexit Job und Karriere zu verlieren, so der Luxemburger. Bei einer Debatte im Europäischen Parlament richtete Juncker deshalb einen emotionalen Appell an den belgischen Premier, Charles Michel. Sein Land würde sehr viel Großzügigkeit beweisen, da es die europäischen Institutionen – „umgeben von Brüsseler Zärtlichkeit“ – beherberge, so der Kommissionspräsident. „Ich würde mir wünschen, dass die belgischen Behörden ebenso großzügig sind, wenn es darum geht, britischen Beamten die belgische Staatsbürgerschaft zu gewähren. Sie verdienen es.“

Versprechen Junckers

Erst im vergangenen Monat hat Juncker den Kommissionsmitarbeitern aus dem Vereinigten Königreich das Versprechen gemacht, ihren Arbeitsplatz auch nach dem Brexit behalten zu können. Rein formal aber wäre dann das übliche Kriterium für einen EU-Job, die EU-Staatsbürgerschaft, erloschen.

Für Michel ist die Sache eine delikate Angelegenheit. Denn im Grunde würde die belgische Rechtsprechung der Forderung des EU-Chefs widersprechen, sagte der Politiker der französischsprachigen liberalen Partei Mouvement Réformateur. Dennoch werde die belgische Regierung die Bitte Junckers in ihren Überlegungen zur Lösung des Problems berücksichtigen.

Aus Sicht von Nigel Farage, einem der führenden Brexit-Anhänger, wird das nicht nötig sein: Die EU werde ohnehin zerfallen, glaubt er – und Belgien sowieso: In dem nordeuropäischen Land gibt es bekanntlich Spannungen zwischen der flämischsprachigen Bevölkerung im Norden und den französischen Wallonen im Süden. Mancher Politiker – wie der populäre Bart de Wever von der Neu-Flämischen Allianz, die seit 2014 in der Regierung sitzt – träumt seit Langem laut von einer Spaltung des Landes. (red./Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.