Juncker: "Erwarte mir von Österreich wie immer alles"

Juncker und Kurz betonen, gut zusammenarbeiten zu wollen.
Juncker und Kurz betonen, gut zusammenarbeiten zu wollen.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die gesamte EU-Kommission ist zu Gesprächen nach Wien gereist. Kommissionschef Juncker vertraut in die gute Zusammenarbeit mit Österreich. Die deutschen Asylpläne seien "europarechtskonform".

Es ist sozusagen der Klassen-Rückbesuch. Während Anfang Juni noch die gesamte österreichische Bundesregierung nach Brüssel geflogen ist, um Details der mittlerweile begonnenen EU-Ratspräsidentschaft Österreichs zu besprechen - legendäres Foto aus dem Flugzeug inklusive -, stand nun der Gegenbesuch an. Die gesamte EU-Kommission machte samt Entourage einen Stopp in Wien, um sich mit der Bundesregierung abzusprechen. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam nach der großen Runde von Kommission und Regierung noch mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Vier-Augen-Gesprächen zusammen.

"Wichtig ist, dass wir auch eine menschliche Ebene finden zwischen Kommission, Europäischem Parlament und dem Rat, um die anstehenden großen Projekte zu lösen", sagte Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ). Es gelte Kompromisse zu finden "und ich bin sehr zuversichtlich, dass Österreich als Troubleshooter das schaffen wird", so Hofer, der zugleich sagte, dass er "eher nicht" an eine Einigung auf eine europaweite Pkw-Maut glaube. Auch Tempo 140 sei kein europaweites Thema.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) betonte unterdessen bei ihrer Ankunft, die Bedeutung des europäischen Engagement am Westbalkan. Sie könne eine gewisse Skepsis unter den EU-Staaten nachvollziehen, sagte Kneissl in Richtung Frankreich und Niederlande, allerdings sei die EU-Annäherung Südosteuropas eine "geopolitische" Notwendigkeit.

Brückenbauer gefragt

EU-Kommissionspräsident Juncker erwartet sich angesichts der EU-Ratspräsidentschaft "von Österreich wie immer alles". Und, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "sehr auf Brückenbauer-Kurs ist, dass passt mir sehr gut", sagte Juncker vor dem Treffen seiner EU-Kommission mit der Bundesregierung am Freitag in Wien. Dann gab es Küsschen für den Bundeskanzler.  

Neben einer kurzen Sitzung der gesamten EU-Kommission mit Mitgliedern der Bundesregierung stand am Vormittag auch ein bilaterales Gespräch zwischen Juncker und Kurz auf der Agenda. Die EU-Kommission drückt in der Migrationspolitik aufs Gas. Juncker hat für September einen Vorschlag zum Thema Außengrenzschutz angekündigt. Die Aufstockung von Frontex auf 10.000 Beamte "ziehen wir jetzt auf 2020 vor", sagte Juncker bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Kurz in Wien.

"Es wird nicht schief gehen"

"Wir haben uns verständigt, dass die Europäische Kommission im September einen Vorschlag zum Außengrenzschutz macht", berichtete Juncker von den Gesprächen der EU-Kommission mit der Bundesregierung im Austria Center Vienna. Er habe mit dem österreichischen Ratsvorsitz eine enge Abstimmung und regelmäßige Kontakte vereinbart, "auch über die Sommermonate". "Wenn Ratspräsidentschaft und Kommission nicht engstens zusammenarbeiten, dann geht es schief. Es wird unter dem österreichischen Vorsitz nicht schief gehen", unterstrich Juncker.

Was die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und einem möglichen Abschluss unter dem EU-Vorsitz betrifft, betonte Kurz, man wolle hier "die Arbeit fortsetzen, allerdings aber auch mit einem realistischen Blick". Die EU-Kommission schlug vor drei Jahren dazu sieben Gesetzesänderungen - darunter auch die Dublin-Reform - vor. Davon sind fünf grundlegend unstrittig. Kurz schlug vor, entscheidungsreifen Teile des Gesetzespaketes vorzuziehen.

Deutsche Asylpläne "europarechtskonform"

Verhalten haben Kurz und Juncker auf die deutsche Asyleinigung reagiert. Es sei davon auszugehen, "dass alles, was jetzt passiert, europarechtskonform ist", sagte Juncker. "Ich bin mit dem, was gestern in Wien erklärt wurde, völlig einverstanden", sagte Juncker in Anspielung auf Seehofers Aussage, dass Deutschland Österreich nicht für Flüchtlinge verantwortlich machen werde, für die es nicht zuständig sei. Weil offenbar keine Gesetzesänderungen geplant seien, sei davon auszugehen, dass das Vorgehen europarechtskonform sei.

Kurz wies darauf hin, dass Deutschland zwar "nationale Maßnahmen" setzen wolle, aber auch versuchen, "das im Austausch mit anderen Staaten durch bilaterale Abkommen zu machen". Bei der Zielsetzung, die Sekundärmigration und das "Weiterwinken" zu stoppen "ziehen wir mit Deutschland an einem Strang". Dass nun auch ein großes Land sich dieses Themas annimmt, sei etwas "grundsätzlich Positives", weil dadurch eine "stärkere Dynamik" entstehe.

"Wir vertrauen auf das, was der deutsche Innenminister gestern ausdrücklich gesagt hat, und lassen uns jetzt nicht durch jede Meldung der Austria Presse Agentur verunsichern", übte der Kanzler vor den versammelten Journalisten aus zahlreichen europäischen Ländern deutliche Medienkritik.

Am frühen Nachmittag wird der EU-Kommissionschef von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg empfangen. Zum Abschluss des Besuchs findet dann eine Arbeitssitzung der gesamten EU-Kommission mit dem Nationalrat statt.

(APA)

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