EU/China: Eine bange Notpartnerschaft

EU-Ratspräsident Tusk, Chinas Premierminister Li Keqiang, Kommissionspräsident Juncker (von links) am Montag in Peking.
EU-Ratspräsident Tusk, Chinas Premierminister Li Keqiang, Kommissionspräsident Juncker (von links) am Montag in Peking.(c) APA/AFP/WANG ZHAO (WANG ZHAO)
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Der Angriff der USA unter Präsident Trump auf die Weltordnung eint Europäer und Chinesen. Doch die Gemeinsamkeiten haben klare Grenzen.

Brüssel. Das zwanzigste Gipfeltreffen der Spitzen der Europäischen Union und der Volksrepublik China am Montag in Peking hatte einen stillen, aber einflussreichen Gast: US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Angriff auf die Nachkriegsweltordnung in Brüssel und Peking ein akutes Bewusstsein dafür geschafft, was derzeit auf dem Spiel steht, wenn der Rest der Welt sich den USA nicht entgegenstellt.

Für die Europäische Union, welche Trump am Sonntag in einem Tweed und einem Interview mit CBS News als „Feind“ bezeichnet hatte, steht dabei nicht weniger auf dem Spiel als für das neomaoistische Regime in Peking. Denn der aktuelle Herr im Weißen Haus hat nicht nur mit Strafzöllen auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium aus Europa und China einen globalen Handelskrieg, dessen Eskalation derzeit niemand seriös einschätzen kann, vom Zaun gebrochen. Er hält generell nichts von multilateralen Abkommen und internationalen Verträgen, sondern sieht Weltpolitik mit den Augen eines New Yorker Immobilienspekulanten, für den es nur Transaktionen mit Gewinnern und Verlieren gibt, deren Interessen einander stets ausschließen müssen. Von Institutionen und beiderseitig vorteilhaften Kompromissen hält der selbsterklärte „Dealmaker“ nichts.

Erstmals seit 2015 Erklärung

Diese Weltlage ist für Chinas Regime auf eine gewisse Weise noch bedrohlicher als für das wesentliche wohlhabendere und zudem pluralistisch-demokratische Europa. Denn der ohnehin nur mit viel Polizeigewalt und einem beispiellosen Überwachungsstaat garantierte soziale Frieden im Land konnte bisher nur durch die Einhaltung des Versprechens gefestigt werden, dass ein rasant wachsende Wirtschaft Massenwohlstand für das chinesische Volk bringt. Angesichts abflauender Konjunktur und der immer deutlicher zutage tretenden unproduktiven Investitionen in Geisterstädte, denen eine von staatlicher Hand eifrig kaschierte enorm ansteigende Verschuldungsrate privater Unternehmen und staatlicher Körperschaften gegenüber steht, ist dieses soziale Modell Chinas jedoch in Frage gestellt. Und wenn Trump nun auch noch die internationalen Garantien dafür zertrümmert, dass China seine globalen Wirtschaftsinteressen in geordneten Bahnen verfolgen kann, brennt, bildlich gesprochen, auf dem Platz des Himmlischen Friedens der Hut.

Insofern ist es schlüssig, dass die Spitzenvertreter der EU und der Volksrepublik sich in Peking erstmals seit dem Jahr 2015 wieder auf eine gemeinsame Erklärung einigen konnten. Verpflichtendes findet sich auf diesen 13 Seiten erwartungsgemäß nicht. Viel ist hier von „gegenseitigem Respekt“ und der „Grundlage der Gleichheit“ die Rede, was aus Sicht der Europäer, die sich dem Humanismus verpflichtet fühlen, bei den schüchtern auf Seite 7 versteckten „Meinungsaustäuschen über Menschenrechte“ ziemlich enttäuschend ist.

Schlüsselfrage Offenheit

Aber zumindest in den aktuell brennenden wirtschaftspolitischen Fragen konnten sich Jean-Claude Juncker, der Vorsitzende der Europäischen Kommission, und Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates, mit dem chinesischen Premierminister Li Keqiang annähern. Die vor fünf Jahren in Angriff genommenen Verhandlungen über eine Investitionsschutzabkommen sollen beschleunigt werden. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur Reform der Welthandelsorganisation WTO (auch sie ist in Trumps Fadenkreuz) wird eingesetzt. Und China, das mit seinem unter Weltmarktpreis produzierten Stahl und Aluminium jene Überangebote geschaffen hat, welche den Zorn Trumps und seine Strafzölle ausgelöst haben, anerkennt zumindest grundsätzlich, dass diese „Stahlschwemme“ ein Problem ist.

Doch das Grundproblem ist unverändert: China respektiert das offene, regelbasierte Weltwirtschaftssystem nur dort, wo es ihm nützt. „Europa will auf Basis gleicher Regeln für alle mehr tun, und mehr in China investieren“, sagte Juncker. „Doch ein offenes Investitionsklima wirkt am besten, wenn es für beide Seiten gilt.“

IN ZAHLEN

15 % des globalen BIP werden von China erwirtschaftet. Die EU kommt auf 22 Prozent, die USA erreichen 25 Prozent.

257 Mrd. Euro betrug 2017 der Gesamtwert der EU-Importe aus China. Umgekehrt hat die EU Waren und Dienstleistungen im Wert von 198 Mrd. nach China exportiert.

28,21 % des weltweiten CO2-Ausstosses produziert China. Deutschland, als größtes EU-Land, kommt auf 2,2 %.

30 Mrd. Euro hat China im vergangenen Jahr in der EU investiert. Die größten Summen in Deutschland und Großbritannien. Europa investiert ein Vielfaches davon in China.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2018)

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