Die Flüchtlinge des Schiffs "Diciotti" dürften nicht gegen ihren Willen nach Albanien geschickte werden, argumentiert die EU. Innenminister Salvini tobt und droht mit einem Ausstieg aus der Rettungsmission "Sophia".
Die Flüchtlinge des Schiffs "Diciotti" dürfen nach Einschätzung der EU-Kommission nicht gegen ihren Willen nach Albanien geschickt werden. Albanien gehöre nicht zur EU und habe kein entsprechendes Asylsystem, betonte EU-Kommissionssprecherin Natasha Bertaud. Die Menschen könnten nur nach Albanien gebracht werden, wenn sie dem zustimmten.
In der Nacht auf Sonntag hatten mehr als 130 Migranten das italienische Küstenwacheschiff "Diciotti" in Catania verlassen können, nachdem sie tagelang darauf ausharren mussten. Die Küstenwache hatte sie und rund 60 andere Personen Mitte August im Mittelmeer gerettet. Innenminister Matteo Salvini ließ die Migranten erst von Bord, nachdem die katholische Kirche in Italien sowie Albanien und Irland sich bereit erklärt hatten, sie aufzunehmen.
Die Stellungnahme der EU-Kommission löste scharfe Kritik Salvinis aus. "Migranten sollen ihre Zustimmung für den Wechsel nach Albanien geben? Das finde ich bizarr: Wer vor Krieg flüchtet, kann sich nicht ein Urlaubsdorf aussuchen", sagte Salvini bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Venedig.
Salvini drohen 30 Jahre Haft
In dem Drama um die festgesetzten Migranten gerät Salvini immer mehr durch die italienische Justiz unter Druck. Sie wirft ihm außer Freiheitsberaubung, illegalen Festnahmen und Machtmissbrauch jetzt auch Unterlassung von Amtshandlungen vor. Hinzu wird der Minister auch der Freiheitsberaubung mit dem Zweck beschuldigt, Druck auf eine Institution - die EU - für die Umverteilung der Migranten auszuüben, berichtete die römische Tageszeitung "La Repubblica". Dies könnte Salvini laut dem italienischen Strafbuch bis zu 30 Jahren Haft einbringen.
"Laut den Staatsanwälten hat Salvini 177 Personen in Geiselhaft gehalten, um die EU gegen das Dubliner Abkommen zur Umverteilung der Migranten zu zwingen", berichtete das Blatt. Ein sogenanntes "Ministergericht" wird die Vorwürfe prüfen, die die Staatsanwaltschaft der sizilianischen Stadt Agrigento gegen Salvini erhebt.
Italien fordert System der Hafenrotation
Seit Antritt der Regierung aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung vor gut drei Monaten fährt Italien einen harten Anti-Migrationskurs und macht Druck auf die EU. Am Donnerstag verschärfte er während der Tagung der EU-Verteidigungsminister bei einem informellen Rat in Wien den Ton. Er drohte mit dem Rückzug seines Landes von der EU-Mission "Sophia" zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Mittelmeer, sollten die EU-Partner Italiens Vorschlag zur Änderung der Regeln des Einsatzes nicht zustimmen. Über die Mission "Sophia" beraten die EU-Verteidigungsminister am Donnerstag bei einem informellen Rat in Wien.
"Wir haben gebeten, das Prinzip der Hafenrotation anzunehmen und die Regeln der Mission 'Sophia' neu zu diskutieren, um die Verantwortung zu teilen. Sollten wir wieder ein 'Nein' erhalten, werden wir prüfen, ob wir weiterhin Geld für eine Mission ausgeben wollen, die lediglich auf dem Papier international ist", sagte Salvini bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Venedig.
"Wir fordern die Einführung eines Mechanismus der Hafenrotation. Es darf nicht sein, dass Italien allein mit einem Notstand umgehen muss, der die ganze EU betrifft", schrieb Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta auf Facebook. Sie vertritt Italien beim informellen EU-Rat der Verteidigungsminister in Wien.
(APA)