Die britsche Premierministerin gibt sich unnachgiebig. "Ich werde die Ergebnisse des Referendums nicht kippen, noch werde ich mein Land spalten", sagte May.
Einen Tag nach dem von Konfrontation geprägten EU-Gipfel in Salzburg hat die britische Premierministerin Theresa May Härte demonstriert und von Brüssel neue Brexit-Vorschläge gefordert. Die Verhandlungen seien in einer Sackgasse. "Ich habe die EU immer mit Respekt behandelt. Großbritannien erwartet dasselbe", sagte May in ungewöhnlich scharfen Worten am Freitag in London.
Die Absage der EU an den Plan der britischen Regierung zur Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen sei "inakzeptabel", sagte May in der Ansprache, die wegen eines Stromausfalls in ihrem Amtssitz in Downing Street 10 später als geplant ausgestrahlt wurde. . Die andere Seite habe keine konkrete Begründung gegeben oder Gegenvorschläge gemacht. "Wir müssen jetzt von der EU hören, was die wahren Probleme sind und was ihre Alternative ist, damit wir mit ihnen diskutieren können", fügte May hinzu. Das britische Pfund gab in Reaktion auf ihre Rede so deutlich nach wie an keinem anderen Tag in diesem Jahr.
"Kein Abkommen ist besser als ein schlechtes Abkommen", betonte die britische Regierungschefin am Freitag. Darauf müsse sich Großbritannien vorbereiten. Sie werde weder das Ergebnis des Referendums rückgängig machen noch ihr Land auseinanderbrechen lassen. Darauf liefen die bisherigen Vorschläge der EU aber hinaus. May verteidigte das Referendum zum EU-Austritt vom Juni 2016 als "größte demokratische Übung" in der Geschichte ihres Landes.
"Ihr Brexit ist kaputt"
Ihre überraschend anberaumte Rede erfolgte nach einem Sturm der Entrüstung in der britischen Presse. Die Zeitungen "Guardian" und "The Times" schrieben von einer Demütigung für May beim informellen EU-Gipfel in Salzburg. Die Boulevardzeitung "Daily Mirror" titelte an die Adresse der Premierministerin gerichtet: "Ihr Brexit ist kaputt." Die BBC sprach von einer peinlichen Abfuhr für die Regierungschefin.
Am Donnerstag hatten die EU-Staats- und Regierungschefs nach einem zweitägigen EU-Gipfel in Salzburg die britischen Vorschläge zum Brexit abgelehnt, weil diese den gemeinsamen Binnenmarkt untergraben würden. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte die Pläne Mays für einen geordneten EU-Austritt, die sie nach zähen internen Kämpfen im Juli mit ihrem Kabinett im Landhaus Chequers vereinbart hatte, als "inakzeptabel" bezeichnet. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, man habe noch viel Arbeit zu leisten. Manchen Briten stieß zudem ein Beitrag von EU-Ratspräsident Donald Tusk in den Online-Netzwerken Facebook und Instagram sauer auf. So schrieb Tusk in Englisch unter einem Foto von ihm und May vor einem Nachtisch-Arrangement in Salzburg: "Vielleicht ein Stück Kuchen? Verzeihung, keine Kirschen". Das Wortspiel bezieht sich auf die Bedingung der EU, dass sich die britische Seite nicht die besten Stücke des Binnenmarktes herauspicken könne. Brexit-Minister Dominic Raab beklagte, einige Teilnehmer hätten in Salzburg kein staatsmännisches Verhalten gezeigt.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte auf Twitter, dass May den "falschen Schein" der Chequers-Vorschläge beenden und den Austrittsprozess anhalten müsse. Laut Artikel 50 der EU-Verträge können die Verhandlungen über den Austritt eines Landes verlängert werden, wenn alle 28 EU-Staaten dem zustimmen. Derzeit ist das Brexit-Datum der 29. März 2019.
Mays Pläne stoßen auch innerhalb der regierenden Konservativen auf Widerstand, von denen einige einen härteren Bruch mit der EU fordern. EU-Diplomaten haben bereits vor dem Salzburg-Gipfel gemutmaßt, dass sich die Positionen auf beiden Seiten kurzfristig verhärten. Denn May dürfte vor dem Parteitag der Tories vom 30. September bis 03. Oktober aus innenpolitischen Gründen kaum Zugeständnisse machen können.
Der nächste EU-Gipfel ist für den 18. Oktober angesetzt, ein mögliches EU-Sondertreffen zum Brexit wurde für den 17. und 18. November vereinbart. Knackpunkt in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU sind unter anderem der Umgang mit der irisch-nordirischen Grenze und der Zugang zum Binnenmarkt.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versuchte am Freitag die Wogen auf seine Art zu glätten. Man sei mit Großbritannien nicht im Krieg, sagte er im Interview mit mehreren österreichischen Zeitungen. "Wir müssen aber vorsichtig sein wie zwei sich liebende Igel. Wenn sich zwei Igel umarmen, dann muss man aufpassen, dass es keine Kratzer gibt."
(APA)