Brexit: Neue Hoffnung auf Scheidungsvertrag mit London

May und Juncker
May und JunckerAPA/AFP/EMMANUEL DUNAND
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Unterhändlern zufolge gibt es in den Brexit-Verhandlungen große Fortschritte. Deutschland drückt aufs Tempo: "Die Zeit drängt."

In den Scheidungsverhandlungen zwischen der EU und Großbritannien wachsen die Hoffnungen auf eine einvernehmliche Trennung. Ein Vertrag über einen geregelten Brexit ist nach Angaben aus EU-Kreisen in greifbare Nähe gerückt. Unterhändler der EU hätten von Fortschritten berichtet, zum Beispiel bei der Überwachung einer Brexit-Vereinbarung oder den Handelsregeln, hieß es am Freitag in Brüssel.

Die Kernfrage, wie die künftige Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und Großbritannien gestaltet werden soll, ist allerdings noch offen. Bei einer Unterrichtung von Diplomaten der Mitgliedstaaten hätten die Unterhändler erklärt, man sei einem Brexit-Abkommen "sehr nahe", sagten zwei Teilnehmer des Treffens. Zuvor hatte die britische Regierung neue Vorschläge zur britisch-irischen Grenze in Aussicht gestellt. Damit könnte einer der größten Streitpunkte gelöst werden.

In EU-Kreisen hieß es, bisher lägen die Vorschläge aus London noch nicht schriftlich vor. Daher sei auch noch keine detaillierte Bewertung möglich. Der konkrete Vorschlag aus London wird nächste Woche in Brüssel erwartet.

Nach dem EU-Austritt entsteht zwischen dem britischen Nordirland und Irland eine neue EU-Außengrenze. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen mit Großbritannien für die Mitgliedstaaten führt, will an der neuen Grenze Kontrollen unbedingt vermeiden. Großbritannien will die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwischen den beiden Teilen der irischen Insel durch eine Reihe von Verträgen mit der EU umgehen.

Falls es zu keiner Lösung kommt, bedingt sich die EU allerdings eine Notfallklausel aus, die Nordirland in ihrem Zollgebiet halten würde. Großbritannien besteht bisher auf eine zeitliche Begrenzung dafür. Brüsseler Diplomaten zufolge ließ die britische Seite nun durchblicken, das man auch einer unbegrenzten Verlängerung der Klausel zustimmen könnte. Damit würde das gesamte Königreich in einer Zollunion mit der EU bleiben und etwa für bestimmte Güter bei der Einfuhr EU-Zölle erheben. Das Vereinigte Königreich verlässt die EU im März.

"Mehrstimmiger Chor"

EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier sagte bei einem Treffen mit nordirischen Politikern, eine harte EU-Grenze zu der britischen Provinz müsse verhindert werden. Daher sei die Notfallklausel so wichtig. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sagte in einer Rede im Parlament in Wien, die Verhandlungen seien auch deshalb so schwer, weil es verschiedene Signale aus London gebe. Es gebe "einen mehrstimmigen Chor" auf der Ebene der britischen Regierung. Die EU versuche, die Teile so zusammenzusetzen, "dass daraus eine Melodie wird". Er hoffe, dass ein Deal bis November erzielt werde, so Juncker. Ein Ausscheiden des Vereinigten Königreichs ohne Vertrag hätte "verheerende" Folgen.

Die deutsche Regierung drängte auf Fortschritte. "Die Zeit drängt", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. "Ein Austritt Großbritanniens ohne Abkommen wäre weder im britischen, noch im europäischen, noch im deutschen Interesse." Ziel sei es, bis zum EU-Gipfel Mitte Oktober "maximalen Fortschritt" zu erreichen.

Die Verhandlungen über den britischen EU-Austritt 2019 liegen praktisch auf Eis, weil die britische Regierungschefin Theresa May sich interner Gegner ihres Brexit-Kurses erwehren muss. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte London erneut ein umfassendes Handelsabkommen angeboten. Er deutete Zugeständnisse bei der zentralen Streitfrage an: der Vermeidung einer harten Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland.

Die britische Regierungschefin Theresa May steht wegen ihrer vergleichsweise "weichen" Brexit-Linie in ihrer konservativen Partei unter Druck. Nach dem Ende des Parteitags ihrer Konservativen sehen Beobachter aber ein kurzes Zeitfenster, in dem May in den Verhandlungen mit Brüssel Fakten schaffen könnte. Beim informellen EU-Gipfel in Salzburg hatte sie sich für ihre bisherigen Pläne eine Abfuhr geholt und war danach innenpolitisch massiv unter Druck geraten.

(APA)

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