Gerichtshof der EU stoppt polnische Regierung

Protest gegen die Umbesetzung des Obersten Gerichtshofs in Polen.
Protest gegen die Umbesetzung des Obersten Gerichtshofs in Polen.imago/Eastnews
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Einstweilige Verfügung untersagt die Pensionierung und Neubesetzung von Höchstrichtern.

Brüssel. Der Versuch der nationalautoritären Regierung Polens, den Obersten Gerichtshof mit politisch gefügigen Juristen zu besetzen, ist fürs Erste gestoppt. Der Gerichtshof der EU (EuGH) in Luxemburg erließ am Freitag per Beschluss eine einstweilige Verfügung, derzufolge das umstrittene neue Gesetz über das Pensionsalter von Richtern am Obersten Gerichtshof nicht angewendet werden darf. Die betroffenen Richter bleiben auch rückwirkend im Amt.

Der EuGH hat nämlich zuerst über eine Klage der Europäischen Kommission zu entscheiden. Die Kommission ist der Ansicht, dass es gegen die EU-Verträge verstößt, weil es das Rechtsstaatsprinzip in Polen untergräbt, indem es die Höchstrichter politisch gefügig macht. Würden die neuen Pensionsbestimmungen vor dem Endurteil des EuGH in Kraft treten, wäre ein „schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden für die Interessen der Union“ zu befürchten, heißt es in der Begründung der einstweiligen Verfügung.

Für sich genommen wirkt die Senkung des Pensionsantrittsalters von 70 auf 65 Jahre harmlos. Doch eine zweite Bestimmung macht diesen Rechtsakt zu einem wirkungsvollen Werkzeug, um die Justiz politisch auf Linie der Regierungspartei PiS zu bringen: Will ein an sich pensionsreifer Höchstrichter weiter amtieren, muss er den Präsidenten der Republik um Verlängerung bitten. Der entscheidet dann freihändig, ob der Richter weitermachen darf oder nicht.

„Grundlegende Umbesetzung“

Wie die Regierung in Warschau nun reagiert, ist offen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes hat Präsident Andrzej Duda bereits 27 neue Höchstrichter ernannt und 44 weitere Stellen ausgeschrieben, was zu „einer sofortigen grundlegenden Umbesetzung des Obersten Gerichtshofs“ führte, heißt es im Beschluss des EuGH. (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2018)

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