Rechtsstaatskrise: Polen ignoriert in Justizstreit die EU

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Die polnische Regierung schwänzt eine Anhörung im EU-Parlament und ist auf keine Empfehlung der Kommission in Sachen Justizreform eingegangen.

Brüssel. Wer sich erhofft hatte, dass der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro die von ihm entworfene politische Gleichschaltung des Justizwesens gegenüber seinen Kritikern aus der EU verteidigen würde, wurde am Dienstag enttäuscht: Ziobro blieb einer Anhörung des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europaparlaments unentschuldigt fern. Die polnische Regierung schickte auch keinen Ersatz. Auf Anfrage der „Presse“ hieß es seitens der EU-Botschaft Polens in Brüssel, dies habe das Justizministerium in Warschau ohne Angabe von Gründen so beschlossen.

Ziobro ersparte sich somit peinliche Fragen zu seiner Justizreform, die Polen das erste Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages sowie ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der EU eingebrockt hat.

„Ende der Gewaltenteilung“

Und er musste auch nicht die Warnung von Frans Timmermans, dem Vizepräsidenten der Europäischen Kommission, über das Desinteresse der Regierung an einer gütlichen Einigung anhören. „Ich bedauere mitteilen zu müssen, dass von der polnischen Regierung bis zum heutigen Tage keine der Bedenken der Kommission angesprochen worden sind“, sagte er. „Leider kann ich heute über keine positiven Entwicklungen berichten.“

Vielmehr steige das „systemische Risiko für den Rechtsstaat“ in Polen. So würde Ziobros Justizministerium Richter, die sich öffentlich für eine Klärung der Rechtmäßigkeit der Reformen durch den EuGH aussprechen, bedrohen. Zudem seien (einer einstweiligen Verfügung des EuGH zum Trotz) 22 der 27 Höchstrichter, die vom umstrittenen Gesetz über das Pensionsalter von Richtern betroffen sind, in den Augen der Regierung bereits im Ruhestand. Jeder Mitgliedstaat könne sein Justizwesen reformieren, doch dürfe dies nicht „zum Ende der Gewaltenteilung führen“, mahnte Timmermans.

Bei einem offiziellen Besuch einer Delegation von EU-Abgeordneten sei „die Rhetorik klar unfreundlich“ gewesen, sagte der CDU-Mandatar Frank Engel. „Die Regierung ließ uns klar spüren, dass wir dort nichts verloren hatten.“ Er warnte vor einer „politischen Unterwerfung der Justiz“ in Polen, was „kein akzeptables Phänomen in Europa“ sei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)

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