Sozialhilfereform wird erschwert

Der Europäische Gerichtshof hat am Mittwoch das oberösterreichische Landesgesetz zur Mindestsicherung gekippt.
Der Europäische Gerichtshof hat am Mittwoch das oberösterreichische Landesgesetz zur Mindestsicherung gekippt.(c) Clemens Fabry
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Die Regierung will die Mindestsicherung für Asylberechtigte kürzen – auch wenn der EuGH dies als EU-rechtswidrig beurteilt.

Wien. Der Europäische Gerichtshof hat am Mittwoch das oberösterreichische Landesgesetz zur Mindestsicherung gekippt. Diese Entscheidung hat Auswirkungen weit über Oberösterreich hinaus: Auch die geplante bundeseinheitliche Reform der Mindestsicherung wird nun schwerer umsetzbar.

1. Was steht im Urteil des Europäischen Gerichtshofs?

Seit 2016 zahlt das Land Oberösterreich für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte statt 921 Euro nur noch 365 Euro aus. Dazu kommt ein an Auflagen gebundener „Integrationsbonus“ von 155 Euro. Betroffen sind 590 von 12.914 Mindestsicherungsbeziehern in Oberösterreich. Für Asylberechtigte ist diese Ungleichbehandlung EU-rechtswidrig, urteilte nun der EuGH. Sie haben laut EU-Richtlinie den gleichen Anspruch auf Sozialleistungen wie österreichische Staatsbürger. Der EuGH verwarf damit auch die Argumentation des Landes, das darauf verwiesen hatte, dass den Asylberechtigten nur ein auf drei Jahre befristeter Schutz zugestanden wurde und sie deshalb nicht gleichgestellt werden müssten.

2. Warum war überhaupt der EuGH zuständig und nicht der Verfassungsgerichtshof?

Ein Betroffener hatte Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht eingebracht. Dieses bezweifelte die EU-Konformität der Rechtslage und legte die Angelegenheit dem EuGH zur Prüfung vor. Dessen Entscheidung ist bindend, das heißt, jedes nationale Gericht und jede Behörde muss sich daran halten. Auch der Verfassungsgerichtshof prüft das Landesgesetz noch, dabei geht es um die Deckelung der Leistungen für Familien. Übrigens läuft beim VfGH auch ein Prüfverfahren zum burgenländischen Landesgesetz, das ebenfalls geringere Leistungen für Asylberechtigte vorsieht.

3. Was bedeutet die Entscheidung für die Reformpläne der Regierung?

Es wird nun zumindest schwieriger, eine Lösung zu finden, um die Ziele der Regierung rechtskonform umzusetzen. Die Bundesregierung hat sich die Landesgesetze in Niederösterreich und Oberösterreich zum Vorbild genommen und will eine bundeseinheitliche Mindestsicherung, die auf zwei Prinzipien aufbaut: Erstens sollen Asylberechtigte um 300 Euro weniger bekommen, und zweitens soll es eine Deckelung für Familien geben. Doch auch schon in Niederösterreich hat die Regelung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht gehalten. Dort war eine niedrigere Sozialleistung für jene vorgesehen, die sich in den vergangenen fünf Jahren nicht durchgehend in Österreich aufgehalten haben, was auch etliche Österreicher betroffen hat. Die Bundesregierung will die Kürzung nun mit einer anderen Begründung absichern: Die 300 Euro gibt es als „Arbeitsqualifizierungsbonus“ für das Erreichen des Deutschniveaus B1. Ob das europarechtlich hält, ist allerdings mehr als fraglich. Der geforderte Sprachnachweis könnte als diskriminierende Zugangsvoraussetzung angesehen werden – und den darf es für Asylberechtigte nicht geben. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) erklärte am Mittwoch, man werde das EuGH-Urteil berücksichtigen.

4. Gibt es Alternativen zu den Reformplänen der Bundesregierung?

In den vergangenen Jahren haben fast alle Bundesländer ihre Gesetze zur Mindestsicherung geändert. Die westlichen Länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg, die alle schwarz-grün regiert sind, haben eine weitgehend einheitliche Linie gefunden. Dort wurden die Höchstsätze für Asylberechtigte nicht gekürzt, wohl aber an die Erfüllung von Integrationsleistungen gekoppelt. Eine ähnliche Lösung haben auch die Steiermark (schwarz-rot) und Kärnten (rot-schwarz) gefunden. Rechtlich ist das machbar: Zumindest das Vorarlberger Modell hat vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten. Rechtlich ebenfalls möglich ist eine teilweise Umstellung von Geld- auf Sachleistungen – also etwa Wohnungen anzubieten statt einer Förderung von Mietkosten.

AUF EINEN BLICK

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die oberösterreichischen Regeln zur Mindestsicherung rechtswidrig sind. Das Landesgesetz hatte Verschlechterungen für Asylberechtigte vorgesehen. Das Urteil erschwert auch die Pläne der Bundesregierung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2018)

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