Der Austritt Großbritanniens sei eine "Tragödie", sagte Kommissionspräsident Juncker am EU-Sondergipfel in Brüssel. Die britische Premierministerin steht nun vor der schwierigen Aufgabe, das Parlament von ihrem Deal zu überzeugen.
Die Europäische Union hat auf einem historischen Sondergipfel am Sonntag den in den vergangenen Monaten mühsam zwischen Brüssel und London ausgehandelten Vertrag über den EU-Ausstieg Großbritanniens verabschiedet. Der Pakt, der am 30. März 2019 in Kraft treten soll, legt die Regeln für das Ende der britischen Mitgliedschaft juristisch verbindlich fest. Daneben verabschiedeten sie eine Erklärung zu den künftigen Beziehungen der EU und Großbritanniens nach dem Brexit.
Die Spitzen der EU vermieden jegliches Siegesgehabe gegenüber London. Vielmehr äußerten sie Bedauern. Von einem "traurigen Tag", einer "Tragödie", sprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zugleich appellierte er an die britischen Parlamentarier, dem Deal zuzustimmen. Denn eine Alternative zum Brexit-Vertrag werde es nicht geben. Wer etwas anderes erwarte, werde enttäuscht.
Denn im britischen Unterhaus, das dem Abkommen zustimmen muss, ist eine Mehrheit für May ungewiss. Dort wollen nicht nur Teile der sozialdemokratischen Labour-Opposition gegen das Abkommen stimmen, sondern auch Parlamentarier ihrer eigenen Tories und der nordirischen DUP. So versucht die britische Premierministerin mit allen Mitteln, die Abgeordneten noch umzustimmen - und wandte sich dafür sogar in einem "Brief an die Nation" an ihre Landsleute.
May: "Einzig möglicher Deal"
Und auch in einer Stellungnahme nach dem EU-Sondergipfel verkaufte May den Vertrag als den "besten Deal und einzig möglichen Deal", der erreichbar war. Sie zeigte sich überzeugt, dass "die besten Tage vor uns liegen" und appellierte an die britischen Parlamentarier, dem zuzustimmen. Sie kündigte eine Abstimmung noch vor Weihnachten an.
Neuerlich unterstrich sie die bedeutendsten Punkte in dem Deal mit der EU. So erhalte Großbritannien die volle Kontrolle über seine Grenzen, sein Geld, seine Gesetzgebung und mit dem Ende der Fischquoten auch seine Gewässer. In Zukunft hätte Großbritannien wöchentlich zusätzlich 394 Millionen Pfund (445,30 Mio. Euro) für das nationale Gesundheitssystem zur Verfügung. "Das ist im nationalen Interesse."
Sie sei nicht traurig über den Brexit, sie habe aber gemerkt, dass es die anderen Staats- und Regierungschefs seien, so May. "Wir verlassen die EU, aber nicht Europa, und werden weiter enge Beziehungen zueinander haben."
Kurz: "Take it or leave it"
Angesichts der kritischen Stimmen zu dem Vertrag aus London, zeigte sich auch Kanzler Sebastian Kurz nicht zu weiteren Gesprächen bereit. "Es wird sicherlich nicht nachverhandelt, und es gibt auch keinen weiteren Spielraum", sagte er. "Es ist eine Take-it-or-leave-it-Situation". Der Gipfel sei ein weiterer Schritt zu einem geordneten Brexit gewesen, sagte er. Dennoch sei niemand in Feierstimmung. Mit Großbritannien verliere die EU "nicht irgendein Mitglied", sondern eine der größten Volkswirtschaften, eine militärische Größe und ein politisches Schwergewicht.
Sowohl die Republik Österreich als auch die EU wären aber auf ein "No-Deal"-Szenario und auf einen "harten Brexit" vorbereitet, versicherte Kurz.
Der Kanzler verwahrte sich gegen Spekulationen, was passieren würde, wenn das britische Parlament den Deal ablehnt. Es gebe jetzt die Möglichkeit der Zustimmung, "wir sollen darauf hoffen". Zwar gebe es Kontakte zur britischen Politik, aber "am Ende des Tages ist es eine britische Frage".
Zeit bis 2022
Der Austrittsvertrag sieht vor, dass Großbritannien für einen Übergangszeitraum bis Ende 2020 weiterhin in der EU verankert bleibt, ohne noch in den EU-Institutionen vertreten zu sein. Dieser Übergang kann bis Ende 2022 verlängert werden. Ziel ist sind enge weitere Beziehungen zwischen der EU und London im Rahmen einer neuen Freihandelsvereinbarung. Kommt bis dahin keine Lösung zur Vermeidung einer Grenze auf der irischen Insel zustande, greift eine Auffanglösung: Sie sieht vor, dass das gesamte Vereinigte Königreich in der EU-Zollunion bleibt, womit eine harte Grenze zu Irland vermieden würde.
(APA)