May: Neues Referendum würde "irreparablen Schaden" verursachen

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Die britische Premierministerin will den von ihr verhandelten Brexit-Deal unter allen Umständen durchboxen. Jetzt steht auch der neue Termin fest.

Die britische Premierministerin Theresa May hat eindringlich vor einem zweiten Referendum über den Brexit gewarnt. "Lasst uns nicht wortbrüchig gegenüber dem britischen Volk werden, indem wir versuchen, ein neues Referendum anzusetzen", sagte May laut im Voraus verbreiteten Auszügen einer für Montag geplanten Rede im Unterhaus. "Eine weitere Abstimmung würde unserer Politik einen irreparablen Schaden zufügen, denn es würde den Millionen, die unserer Demokratie vertrauten, sagen, dass die Demokratie nicht Wort hält."

Scharfe Kritik an der Forderung nach einem zweiten Referendum übte auch Ex-Außenminister Boris Johnson. Wer eine Wiederholung der Abstimmung fordere, sei "verrückt" geworden, schrieb der Brexit-Hardliner in seiner am Montag veröffentlichten wöchentlichen Kolumne für die Zeitung "Daily Telegraph".

Verfechter eines zweiten Votums ist hingegen der ehemalige Premierminister Tony Blair, mit dem sich May am Wochenende einen außergewöhnlichen öffentlichen Streit geliefert hatte. Blairs Forderung nach einem zweiten Referendum sei "eine Beleidigung des Amtes, das er einst bekleidete und des Volkes, dem er einst diente", erklärte May. Blair konterte, indem er es als "unverantwortlich" bezeichnete, die Unterhausabgeordnete dazu zwingen zu wollen, den Brexit-Deal anzunehmen.

EU hält sich zu zweitem Referendum bedeckt

Ein Sprecher der EU-Kommission zeigte sich am Montag ebenfalls bedeckt zu einem zweiten Referendum. Es gebe "absolut keinen Kommentar" zu einem erneuten Votum, für das sich zuvor auch mehrere EU-Spitzenpolitiker wie etwa der luxemburgische Premier Xavier Bettel stark gemacht hatten. Zugleich schloss der Kommissionssprecher einmal mehr Nachbesserungen für London aus.

May wollte die Abgeordneten am Montag über den EU-Gipfel in der vergangenen Woche informieren. May hatte versprochen, sich dort um "Zusicherungen" hinsichtlich der in London umstrittenen Garantie für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland im Brexit-Vertrag zu bemühen. Die Gipfelerklärung blieb aber weit hinter den Erwartungen aus London zurück.

Verschobene Abstimmung wird am 14. Jänner nachgeholt

Die verschobene Abstimmung über das Brexit-Abkommen im britischen Parlament wird in der dritten Jännerwoche (vom 14.01. an) stattfinden. Das kündigte Premierministerin Theresa May am Montag im Parlament in London an. Die Debatte werde bereits in der Woche davor fortgesetzt.

May hatte die eigentlich für den 11. Dezember angesetzte Abstimmung im letzten Moment verschoben, weil sich eine deutliche Niederlage abzeichnete. Sie hofft nach wie vor darauf, dass sie sich mit ihrem Brexit-Deal im Parlament durchsetzen kann. Doch das scheint inzwischen mehr als zweifelhaft. Eine Vertrauensabstimmung vergangene Woche in ihrer eigenen Fraktion gewann May zwar, doch mehr als ein Drittel der konservativen Abgeordneten sprach ihr das Misstrauen aus.

May spielt auf Zeit

May setzt offenbar darauf, dass die Zustimmung zu ihrem Deal mit dem Näherrücken des Austrittstermins - und der realen Gefahr eines "Hard Brexit" - steigen wird. Allerdings regt sich auch im Kabinett Kritik am sturen Kurs der Regierungschefin. Wirtschaftsminister Greg Clark sprach sich am Montag dafür aus, den Abgeordneten die Wahl zu lassen, wie es weitergehen soll, wenn das Abkommen im Parlament abgelehnt wird.

Sollte das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen vom Parlament abgelehnt werden, droht am 29. März 2019 ein ungeregelter Brexit mit unabsehbaren Folgen für die Wirtschaft und Chaos in vielen Lebensbereichen. Eine kleine Gruppe von Brexit-Hardlinern in der konservativen Regierungsfraktion spricht sich offen für den sogenannten No-Deal-Brexit aus. Einem Bericht des "Telegraph" zufolge könnte sich Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt an die Spitze dieser Gruppe stellen und May noch am Montagabend mit einem alternativen Brexit-Plan herausfordern.

Die britischen Wähler hatten im Juni 2016 mit knapper Mehrheit für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU gestimmt. Der Brexit soll am 29. März 2019 wirksam werden.

(APA/AFP)

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