Merkel und Macron trippeln Adenauer und de Gaulle hinterher

Angela Merkel und Emmanuel Macron.
Angela Merkel und Emmanuel Macron.(c) APA/AFP/LUDOVIC MARIN
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Nüchterne Pragmatik prägt das neue deutsch-französische Abkommen. Politische Vagheit auch.

Aachen. Was Konrad Adenauer und Charles de Gaulle 1963 schufen, wollen Angela Merkel und Emmanuel Macron ausbauen: auf den Tag genau 56 Jahre nach der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags im Pariser Élysée -Palast setzten die deutsche Kanzlerin und der französische Präsident am Dienstag im Krönungssaal von Aachen ihre Unterschriften unter ein neues Abkommen ihrer Staaten, das ihre „bilateralen Beziehungen auf eine neue Stufe“ heben soll.

So steht es in der Präambel dieses 16 Seiten umfassenden Vertrags, der seit einigen Tagen in Frankreich vor allem bei Links- und Rechtsextremen die Gerüchteküche brodeln lässt. Innerhalb der Protestbewegung der Gilets Jaunes kursiert die faktenfreie Behauptung, Macron übergebe somit die Grenzregion Elsass-Lothringen den Deutschen. Marine Le Pen, die Anführerin des rechtsextremen Rassemblement National (bisher Front National) warf Macron Staatsverrat und den Ausverkauf der französischen Souveränität vor. Der linksextreme Chef von La France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, behauptete, kein französischer Abgeordneter habe den Vertragstext vorab lesen können.

Das Leben an der Grenze vereinfachen

Nichts davon ist wahr. Beispielsweise der Vorwurf der Geheimdiplomatie: Dieser Vertrag, der nun den beiden Parlamenten zur Annahme vorgelegt wird, wird von einem parallel verhandelten Abkommen zwischen Bundestag und Assemblée nationale ergänzt werden; es ist ihrer mangelhaften Organisation geschuldet, dass dieser Text nicht zeitgleich fertig wurde. Tatsächlich wird die Rolle der beiden Parlamente in der Gestaltung der deutsch-französischen Beziehungen gestärkt: Eine gemeinsame Versammlung von jeweils 50 Abgeordneten werde in Zukunft „strukturierend zusammenarbeiten“, wie Merkel es in ihrer Rede in Aachen ausdrückte.

Sehr wohl hingegen enthält der Vertrag das Ziel, die tägliche Zusammenarbeit von Bürgern, Unternehmen und Gemeinden entlang der rund 500 Kilometer langen Grenze zu erleichtern. Zu diesem Zweck statten beide Staaten die Gebietskörperschaften der Grenzregionen mit „angemessenen Kompetenzen, zweckgerichteten Mitteln und beschleunigten Verfahren aus, um Hindernisse bei der Umsetzung grenzüberschreitender Vorhaben zu überwinden“. Dabei geht es um konkrete Lösungen für sozialrechtliche Probleme von Grenzgängern, bürokratische Hindernisse beim gemeinsamen Bau von Wasserleitungen, Kläranlagen und ähnlichen Einrichtungen und die Verbesserung grenzüberschreitender Verkehrsverbindungen.

Es ist dieser Artikel 13, der im stark zentralistisch organisierten Frankreich die Gerüchte vom „Ausverkauf Elsass-Lothringens“ und dem „Staatsverrat“ befeuert. Deren Verbreiter überlesen nonchalant den Hinweis auf die „Achtung der jeweiligen verfassungsrechtlichen Regeln der beiden Staaten“. Auch das Gerücht, der Vertrag nötige den Elsässern und Lothringern die deutsche Sprache auf, ist realitätsfern: Artikel 15 hält bloß das schon bisher verfolgte „Ziel der Zweisprachigkeit in den Grenzregionen“ hoch.

Streit um Waffen für Saudiarabien

Große Würfe enthält der Vertrag nicht. Die beiden Staaten verpflichteten sich, „die Zusammenarbeit zwischen ihren Streitkräften mit Blick auf eine gemeinsame Kultur und gemeinsame Einsätze weiter zu verstärken“ (Artikel 4). Das ist ein langer Weg: Einsätzen bestehender deutsch-französischer Kampfgruppen steht der Vorbehalt des Bundestages im Weg. Bei „gemeinsamen Projekten“ in der Rüstung wolle man „einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte entwickeln“. Doch am Beispiel Saudiarabiens offenbart sich das Trennende: Die Deutschen stoppten die Waffenverkäufe, Frankreich liefert weiter. „Ich hoffe nicht, dass wir völlig auseinander sind in der Bewertung Saudiarabiens“, versuchte Merkel in einer Bürgerdiskussion mit Macron zu kalmieren.

Den Wunsch der Deutschen nach einer Teilung des ständigen französischen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ließ Macron abprallen. Artikel acht sieht einzig vor, „die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland als ständiges Mitglied“ sei „eine Priorität der deutsch-französischen Diplomatie“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2019)

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