Wird Brexit-Verfahren bis Dezember verlängert?

Die Millenniumsbrücke in London sollte der Stadt symbolhaft einen neuen Weg in die Zukunft eröffnen. Beim Brexit ist dieser Weg noch nicht gefunden.
Die Millenniumsbrücke in London sollte der Stadt symbolhaft einen neuen Weg in die Zukunft eröffnen. Beim Brexit ist dieser Weg noch nicht gefunden.(c) APA/AFP/PAUL ELLIS
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Die Abgeordneten stimmen am Dienstag über eine Brexit-Verschiebung und die Verhinderung eines Hard Brexit ab. Ein neuer Austrittsvertrag soll erst am 13. Februar ins Parlament kommen.

London. Mit der Gelassenheit einer jahrhundertealten Demokratie nähert sich das britische Parlament der Entscheidung über den EU-Austritt des Landes. So hitzig die Debatte abläuft, so langsam scheinen die Mühlen in Westminster zu mahlen. Die 650 Abgeordneten entscheiden am Dienstag über Abänderungsanträge zum ausgehandelten Austrittsabkommen mit der EU. Ein überarbeiteter Brexit-Deal soll dem Unterhaus dann erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgelegt werden. Laut einem Bericht von Sky News von Montagabend will May darüber am 13. Februar abstimmen lassen.

Insgesamt liegen dem Unterhaus heute zwölf Anträge aus allen Fraktionen vor. Über ihre Zulassung entscheidet Parlamentsvorsitzender John Bercow. Der Konservative hat seine eigene Partei wiederholt mit eigenwilligem Vorgehen verärgert. Die Regierung von Premierministerin Theresa May muss der Abstimmung, die nach 19 Uhr Ortszeit beginnen soll, also mit einigem Zittern entgegenblicken. Denn einige Anträge sind direkt gegen die Regierungslinie gerichtet.

Die Labour Party will einen Antrag stellen, der einen harten Brexit explizit ausschließt. Obwohl dieser die Mehrheitsmeinung im Unterhaus widerspiegelt, hat der Mehrparteienantrag der Abgeordneten Yvette Cooper (Labour), Nicky Morgan (Konservative) und Norman Lamb (Liberaldemokraten) bessere Chancen: Sie wollen eine Verlängerung des Brexit-Verfahrens nach Artikel 50, um einen ungeordneten Austritt zu verhindern. Nach den Vorstellungen Coopers soll die Regierung eine Frist bis 26. Februar bekommen, ein neues Abkommen im Parlament durchzubringen. Sollte sie dazu nicht in der Lage sein, soll die Frist für Artikel 50 bis längstens Ende 2019 verlängert werden. Cooper, deren Wahlkreis mit großer Mehrheit für den EU-Austritt gestimmt hatte, stellte zu ihren Absichten klar: „Es geht nicht darum, den Brexit zu verhindern, sondern darum, jetzt die beste Lösung zu finden.“ Sie fordert einen Verbleib in der EU-Zollunion.

Das ist auch die offizielle Position von Labour, nicht aber der Regierung May. Einen Ausweg strebt der Antrag ihres Parteifreundes Dominic Grieve an: Er will damit dem Unterhaus die Kontrolle über den Brexit übergeben. Das Parlament soll dann der Regierung Inhalte und Fristen vorgeben.

Nordirland ausklammern

Nicht weniger als vier Anträge beschäftigen sich mit der Auffanglösung für Nordirland, die Anfang der Woche auch die politische Debatte in London dominierte. Verlangt werden entweder ein völliger Verzicht auf den Backstop, eine zeitliche Befristung oder ein einseitiges Kündigungsrecht Großbritanniens. Der Antrag des Konservativen Andrew Murrison, die Frage der inneririschen Grenze aus dem Brexit-Vertrag auszuklammern und stattdessen in bilateralen Verhandlungen zwischen London und Dublin zu regeln, gilt als Versuchsballon, die Geschlossenheit der EU-27 in dieser Frage auf die Probe zu stellen.

Angesichts des drohenden Chaos schlägt der Labour-Abgeordnete und Brexit-Ausschuss-Vorsitzende, Hilary Benn, Probeabstimmungen über sechs Varianten vor. „Es ist offensichtlich, dass die meisten Optionen eine Verlängerung erforderlich machen“, sagt er zur „Presse“. Der Schlüssel liege in London: „Wenn wir nur darum ansuchen, um weiter zu keinem Ergebnis zu kommen, wird Brüssel nicht zustimmen.“

Die Zusatzbeschlüsse des Parlaments werden der Regierung den Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sie Änderungen ihres Vertrags mit der EU finden muss. May hat dem Parlament zugesichert, ihren Plan B dann zur inhaltlichen Debatte und Abstimmung vorzulegen. Brüssel hat freilich bisher keine Bereitschaft zu Neuverhandlungen erkennen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)

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