Saudi-Lobbying in EU-Kolleg

Collège d'Europe. Die Kaderschmiede der EU-Institutionen ringt mit dem Vorwurf, zur Hintertür für saudische Einflussnahme zu werden.

Brüssel. Die frühere Außenministerin Ursula Plassnik ist ebenso eine Absolventin wie die einstigen Regierungschefs von Finnland und Dänemark, Alexander Stubb und Helle Thorning-Schmidt: Das Collège d'Europe in Brügge ist die wichtigste akademische Kaderschmiede der europäischen Eliten. Seit 1949 bietet das Kolleg (mittlerweile auch an einem Zweitcampus in Natolin bei Warschau) das vermutlich beste europäische postgraduale Ausbildungsprogramm an.

Umso größer sind nun die Wellen, die ein Sponsoringvertrag zwischen dem Collège und Saudiarabien schlägt. Denn was seitens der Führung der Hochschule als unproblematische Vereinbarung zur Schulung diplomatischen Nachwuchses der Saudis bezeichnet wird, ist nach Recherchen der Plattform EUobserver ein verdecktes Lobbyingprogramm, das saudischen Regierungsfunktionären diskrete Treffen mit Vertretern des Europäischen Parlaments und nationalen EU-Botschaften in Brüssel abseits der medialen Öffentlichkeit ermöglicht. Ein erstes solches Treffen fand diese Woche mit Europaabgeordneten der Europäischen Volkspartei unter Vorsitz der früheren französischen Finanzministerin Michèle Alliot-Marie statt, die sich mit Nahost-Themen befassen. Was dort mit den Saudis besprochen wurde, blieb geheim.

Im Zuge dieser Enthüllungen werden nun mehrere Europaabgeordnete aktiv. „Diese Art von Tätigkeit charakterisiert klar eine Lobbyorganisation“, hielt die Vorsitzende des Budgetkontrollausschusses, die CDU-Europaabgeordnete Ingeborg Gräßle, in einem Brief an den Rektor des Collège fest. Der schottische Grüne Alyn Smith (selbst Absolvent des Collège) forderte ebenfalls Aufklärung: „Ich versichere Ihnen, dass dieser Informationsbesuch keine PR- oder Lobbyingdimension hat“, lautete die Antwort aus Brügge.

Das Collège erhält laut Kommission heuer 5,6 Millionen Euro aus dem Unionsbudget, der Campus in Natolin weitere 4,6 Millionen Euro. Die Kommission mische sich in das Curriculum nicht ein, man respektiere die akademische Freiheit. (go)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.