Großbritannien/EU: Hochspannung vor Brexit-Votum

Premierministerin Theresa May.
Premierministerin Theresa May.(c) REUTERS (Francois Lenoir)
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Gibt die nordirische Partei DUP ihren Widerstand auf, steigen im Unterhaus die Chancen auf grünes Licht für den EU-Austrittsdeal von Theresa May.

Wien/London. Kommende Woche soll das britische Unterhaus über den modifizierten EU-Austrittsvertrag abstimmen, den Premierministerin Theresa May verhandelt hatte. Nachdem die ursprüngliche Fassung des Deals von den Abgeordneten abgelehnt worden war, hängt das Schicksal des Brexit nun davon ab, ob die Präzisierungen zum Vertrag ausreichend sind, um die Mandatare umzustimmen.

Ob dies gelingen kann, ist selbst für Kenner der Materie völlig unklar. Anand Menon, Professor am King's College und Leiter des Thinktanks UK in a changing Europe, der am gestrigen Dienstag auf Einladung der WKO in Wien weilte, geht davon aus, dass rund 15 Hardliner auf den Hinterbänken der regierenden Tories aus Prinzip gegen jede Variante des Brexit-Deals stimmen werden.

Da Mays Mehrheit im House of Commons hauchdünn ist, hängt alles von den zehn Abgeordneten der nordirischen Partei DUP ab, die die Tories im Unterhaus stützen. Die DUP lehnte Mays Deal ursprünglich ab – laut Menon hat in der Partei allerdings das große Umdenken eingesetzt. Der Grund: Das vereinbarte Brexit-Arrangement ist für die nordirischen Landwirte und Unternehmer durchaus vorteilhaft.

„Die DUP braucht einen gesichtswahrenden Ausweg aus ihrer Boykotthaltung“, resümiert Menon. Einen derartigen Ausweg würde ein Zusatz zum Brexit-Vertrag bieten, in dem festgehalten wird, dass der als Auffanglösung gedachte Verbleib Großbritanniens in der EU-Zollunion ein Ablaufdatum hat und das Erlöschen des sogenannten Backstop von einem Schiedsgericht beaufsichtigt wird. Freilich: Ob die EU bereit ist, den Austrittsvertrag um genau diesen Annex zu ergänzen, ist nach wie vor offen.

Politikwissenschaftler Menon geht jedenfalls davon aus, dass bei einem Umschwenken der DUP ein Großteil der bis dato skeptischen Tories auf Mays Kurs umschwenken wird. Gemeinsam mit austrittswilligen Abgeordneten der Labour-Partei hätte die Premierministerin die Chance, ihren Deal nächste Woche mit einer hauchdünnen Mehrheit durchs Parlament zu bugsieren. Der Brexit würde dann, wie geplant, am 29. März stattfinden.

KMU fragen nach

In Österreich – und den restlichen Mitgliedstaaten – laufen die Vorbereitungen für den britischen EU-Austritt an. Seit gut vier Wochen ist die Brexit-Hotline der Wirtschaftskammer in Betrieb. Nach Auskunft des EU-Koordinators der WKO, Christian Mandl, haben in der Zwischenzeit mehr als 100 Unternehmen die Hotline in Anspruch genommen. Rund 80 Prozent davon waren Klein- und Mittelbetriebe, die bis dato nur auf dem EU-Binnenmarkt aktiv waren und sich im Kontext des Brexit wegen Zöllen, Gütesiegeln und Steuern erkundigt hatten. Mehr als die Hälfte der Anfragen stammte aus Wien. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2019)

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