Mehrere Brexit-Optionen liegen im Parlament auf dem Tisch. Am Mittwoch wollen die Abgeordneten testen, welche sie präferieren. Währenddessen kämpft Premierministerin May weiter für ihren Deal.
Im britischen Streit um den Brexit haben am Mittwoch die britischen Abgeordneten das Sagen. Sie wollen mit Probeabstimmungen ("Indicative Votes") ausloten, welche Szenarien für den EU-Austritt in ihren Reihen Rückhalt haben. Britische Medien sehen Premierministerin Theresa May nach der Entscheidung der Abgeordneten, diese Abstimmungen zuzulassen, in einer noch schlechteren Situation als zuvor: Die "Times" schrieb von einer "gedemütigten" Premierministerin, die "Financial Times" sieht die Gefahr, dass May "die Kontrolle über den Brexit verliert". Im "Guardian" schrieb der frühere konservative Vize-Premier Michael Heseltine, die Regierungschefin habe "keinerlei Kontrolle über das Geschehen".
Das sind die möglichen Richtungen, in die sich Großbritannien bewegen könnte:
Gemeinsamer Binnenmarkt nach dem Norwegen-Modell
Großbritannien könnte nach dem Verlassen der Europäischen Union weiter Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bleiben. Dem gehört beispielsweise Norwegen an, ohne Mitglied in der EU zu sein. Das Land besitzt Zugang zum europäischen Binnenmarkt und muss gleichzeitig die Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital achten, ohne bei den Entscheidungen der EU mitreden zu können.
Dieses Szenario bietet eine enge wirtschaftliche Anbindung an die EU, ohne eine Zollunion zu beinhalten. London lehnt dieses Modell bisher ab, weil es die Freizügigkeit von Personen beenden will. In der Pro-Brexit-Kampagne war dies ein entscheidendes Argument hin zu mehr Kontrolle über die Einwanderung. Einige Abgeordnete befürworten eine "Norwegen-plus"-Option: Sie sieht zusätzlich zur Beibehaltung des Binnenmarkts eine Zollunion mit der EU vor.
Ceta/Beta: Abkommen nach dem Vorbild Kanadas
London könnte ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild des europäisch-kanadischen Ceta-Vertrags anstreben. In einem solchen Abkommen würden gemeinsame Regeln festgelegt, Zölle fielen weg. Allerdings könnten sich die Verhandlungen für ein Freihandelsabkommen - wie bei Kanada - über Jahre hinziehen.
Diese Option wird dennoch von Brexit-Befürwortern unterstützt. Kritiker warnen aber davor, dass dadurch die Einheit des Vereinigten Königreichs infrage gestellt und ein Extra-Vertrag zu Nordirland und seiner Grenze zum Rest der Insel nötig werden könnten.
Eine Vereinbarung "Kanada plus" ist für Brexit-Anhänger auch akzeptabel. Diese Variante würde eine enge Zusammenarbeit in weiteren Bereichen vorsehen, etwa bei der Sicherheit und der Außenpolitik.
Verbleib in der Zollunion
In diesem Szenario müssten die britische Provinz Nordirland und der Rest des Königreichs nicht unterschiedlich behandelt werden. Eine physische Grenze mit Kontrollen müsste es zu Irland nicht geben. Allerdings könnte London keine eigenständige Handelspolitik mit Drittstaaten betreiben und mit ihnen keine eigenen Abkommen schließen. Das wollen Brexit-Befürworter aber nicht hinnehmen.
Ausstieg ohne Abkommen
Der harte Brexit ist vor allem für Unternehmen ein Alptraum. Großbritanniens Mitgliedschaft im Binnenmarkt und der Zollunion würde dann schlagartig enden, ohne eine Übergangsphase. Dies hätte weitreichende Folgen für den Reiseverkehr und die Wirtschaftsbeziehungen. Der gemeinsame Handel würde auf die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) zurückfallen. Die Organisation bietet zwar auch Handelserleichterungen mit der EU, aber keinen Zugang zum Binnenmarkt. Trotz über die WTO vereinbarte Senkungen werden auch Zölle bei Einfuhren in die EU fällig.
Einen harten Brexit lehnten die britischen Abgeordneten bereits am 13. März ab.
Zweites Referendum
Das Unterhaus hat sich schon einmal gegen diese Möglichkeit ausgesprochen. Aber nichts hindert die Abgeordneten daran, sich zu dieser Frage erneut zu positionieren. Mehrere Millionen Briten haben eine Online-Petition für ein zweites Referendum unterzeichnet; am Wochenende gingen hunderttausende Briten dafür auf die Straße. Eine zweite Volksabstimmung hätte Umfragen zufolge durchaus das Potenzial, den Brexit zu kippen.
(APA)