May am Rande des (Br)Exit

REUTERS/Kevin Coombs
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Großbritannien. Nach dem Nein des Parlaments zum EU-Austrittsabkommen gibt es nur noch den Harten Brexit oder eine lange Verlängerung des Dramas.

London. Das britische Parlament hat zum dritten Mal den EU-Austrittsvertrag des Landes abgelehnt. Damit ist Premierministerin Theresa May wohl endgültig gescheitert. Selbst wenn sie ihren Rücktritt noch hinauszuzögern vermag, hat sie alle Autorität verloren. Das zeigt sich auch im Wahlergebnis: Mit 344 zu 286 Stimmen verlor sie die Abstimmung trotz aller Zugeständnisse klar mit 58 Stimmen. Der gestrige Abstimmungstag, 29. März 2019, war ursprünglich als Tag des EU-Austritts vorgesehen gewesen.

Nun geht der zunehmend verzweifelte Brexit-Prozess weiter. May sprach in einer ersten Reaktion von „tiefem Bedauern“ über ein „Ergebnis, das schwerwiegende Konsequenzen haben“ werde. Sollte keine andere Lösung gefunden werden, bedeute dieses einen harten Brexit am 12. April. „Es wird nicht möglich sein, in 14 Tagen einen neuen Deal zu verhandeln“, sagte May. Zugleich räumte sie ein, dass sich das Parlament gegen einen derartigen No-Deal-Brexit ausgesprochen habe. Man brauche daher „eine alternative Lösung“.

Sondergipfel am 10. April

EU-Ratspräsident Donald Tusk berief für den 10. April einen neuen Gipfel nach Brüssel. Sollte London um eine Verlängerung ansuchen, wird Großbritannien an den Europaparlamentswahlen Ende Mai teilnehmen müssen. Mai hatte wiederholt klar gemacht, dass sie weder einen späten noch einen harten Brexit wolle. „Das wäre ein völliges Versagen in der Umsetzung des Volkswillens“, sagte sie. Doch in einer ersten Reaktion ließ sie durchklingen, dass sich Großbritannien vielleicht doch an der Wahl beteiligen müsse. Vonseiten der EU bedarf eine Verlängerung allerdings einer einstimmigen Zustimmung und einer Begründung aus London. „Wir verlängern nicht, um noch zwei Monate britisches Gejammer zu hören“, hatte der niederländlische Premier Mark Rutte das Ende der europäischen Geduld zu erkennen gegeben. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zeigte sich am Freitag enttäuscht und warnte davor, dass es nun Richtung ungeordneten Austritt gehen könne.

Alternativen konnte auch May keine mehr vorlegen. Dafür meinte Oppositionsführer Jeremy Corbyn eine Antwort zu kennen: „Sie muss endlich einsehen, dass ihr Deal gescheitert ist“, erklärte der Labour-Chef. „Wenn sie das nicht anerkennen kann, dann muss sie zurücktreten und Neuwahlen ausschreiben.“ Mays Niederlage gestern war bereits ihr drittes Scheitern, mit 58 Stimmen Niederlage war es nach zuerst 230 und danach 149 Stimmen zwar die geringste Schlappe. Angesichts dessen, dass sie dafür sogar ihren Rücktritt versprochen hatte, war die Niederlage aber immer noch gewaltig.

Selbstopferung funktionierte nicht

Die Premierministerin hatte am Mittwoch ihrer konservativen Parlamentsfraktion den vorzeitigen Rückzug als Preis für eine Zustimmung zu ihrem Deal versprochen. „Ich habe die Zeichen der Zeit verstanden“, sie werde das Land „nicht in die nächste Phase der Umsetzung des EU-Austritts führen“. Was als taktischer Schlag angelegt war, um die Hardliner für sich zu gewinnen, ging zwar innerparteilich teilweise auf.

Sowohl der Brexit-Ultra Jacob Rees-Mogg als auch Ex-Außenminister Boris Johnson stimmten gestern erstmals für Mays Abkommen.
Aber auch die versprochene Selbstopferung konnte die nordirische DUP nicht überzeugen. Die Unionisten sind nicht nur die Mehrheitsbeschaffer von Mays Konservativen im Unterhaus. Sie haben wegen der umstrittenen Frage der inneririschen Grenze ein besonderes Gewicht in der Brexit-Debatte. Mays Vorstoß wirkte auch kontraproduktiv auf die Opposition. In der Vergangenheit hatten regelmäßig einige Labour-Abgeordneten gegen die Parteilinie und mit der Regierung gestimmt. Die Aussicht, mit ihre Stimme für Mays Deal den Machtwechsel in der Downing Street zugunsten eines Hardliners wie Ex-Außenminister Boris Johnson zu befördern, ließ sie diesmal zurückschrecken.

Der einzige Schritt im politischen Ablauf, der vorerst feststand, war die Fortsetzung der Suche des Parlaments nach einer mehrheitsfähigen Brexit-Variante. Am Montag werden die Beratungen darüber fortgesetzt. May erinnerte an den Ernst der Lage: „Was immer Sie beschließen, Sie brauchen erst ein Austrittsabkommen.“ May ließ gestern keinen Hauch mehr von Rücktrittsbereitschaft erkennen. Zugleich ist sie aber nicht mehr in der Lage, ihr Land zu regieren.

(Reuters)

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