EuGH kippt deutsche Pkw-Maut

APA/zb/Jan Woitas
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Die deutsche Autobahnvignette verstoße gegen EU-Recht, sagt der Europäische Gerichtshof. Verkehrsminister Reichhardt ist zufrieden mit dem Richterspruch.

Österreich hat sich mit seiner Klage gegen die deutsche Autobahnmaut durchgesetzt: Die deutsche Pkw-Maut - die Vignette für die Benutzung von Bundesfernstraßen durch Personenkraftwagen - verstößt gegen EU-Recht, entschied der EuGH am Dienstag in einem Urteil. "Diese Abgabe ist diskriminierend, da ihre wirtschaftliche Last praktisch ausschließlich auf den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen liegt", stellten die EU-Richter fest.

Deutschland wollte die Pkw-Maut ab Oktober 2020 erheben. Alle Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen hätten die Abgabe in Form einer Jahresvignette entrichten müssen, sollten aber zugleich bei der Kraftfahrzeugsteuer entlastet werden. Ausländische Autofahrer hätten jedoch auf deutschen Autobahnen zahlen müssen. Eine Entlastung war für sie nicht vorgesehen.

Denn das Vorhaben ging auf ein Versprechen der CSU im Bundestagswahlkampf 2013 zurück. Die bayrische CDU-Schwesterpartei hatte ihren Wählern die Einführung einer Pkw-Maut, die nur für Ausländer gelten würde, versprochen. Nach dem Urteil seien die Pläne vom Tisch, sagte der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer am Dienstag. Das bedeute aber kein generelles Aus für die Nutzerfinanzierung.

„Mittelbare Diskriminierung“

Die EU-Kommission hatte Mitte 2015 zunächst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, dies aber nach Änderungen der Maut-Regelungen wieder eingestellt. Danach zog Österreich mit Rückendeckung der Niederlande 2017 vor den EuGH. Es erhob eine Vertragsverletzungsklage, weil es die Regelung aufgrund der Entlastung deutscher Fahrzeughalter für diskriminierend hielt.

In seinem Urteil (Rechtssache C-591/17) vom Dienstag stellte der Gerichtshof nun fest, dass die Infrastrukturabgabe in Verbindung mit der Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Deutschland eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt und gegen die Grundsätze des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs verstößt.

Verkehrsminister Andreas Reichhardt begrüßte das Urteil. Das Urteil des EuGH sei bemerkenswert und lasse an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, so Reichhardt. Es seien alle Kritikpunkte Österreich anerkannt worden. Es sei daher auch ein wichtiges Signal für andere Bereiche der EU. "Ich möchte mir nicht ausmalen, was das bedeutet hätte, hätte man hier ein Präjudiz geschaffen." 

Überraschende Entscheidung gegen Generalanwalt

Das Urteil kam insofern überraschend, als der Generalanwalt Nils Wahl die deutsche Mautregelung zuvor gebilligt hatte. In den allermeisten Fällen folgen die EuGH-Richter der Argumentationslinie des Generalanwalts. Wahl hatte sich im Februar auf Seite Deutschlands gestellt und dafür ausgeprochen, die österreichische Klage abzuweisen. Er hielt die Regelung anders als Österreich nicht für diskriminierend. Damit hatte er allerdings viel Kritik von EU-Rechtsexperten geerntet. Unter anderem von Europarechtler Walter Obwexer.

Das österreichische Verkehrsministerium hatte sich in seinem rechtlichen Vorgehen auf ein Gutachten des Juristen aus Innsbruck gestützt. Ein derartiges Urteil wäre „ein größerer Spaltpilz als der Brexit“ gewesen, kommentierte Obwexer die Einschätzung Wahls im Februar gegenüber der „Presse“. Die darin festgeschriebene Möglichkeit zur Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen hätte es den EU-Mitgliedstaaten erlaubt, Abgaben einzuführen, die in der Theorie zwar nicht diskriminierend, in der Praxis aber nur von EU-Ausländern zu entrichten gewesen wären. Dadurch wäre der Zusammenhalt der EU gefährdet gewesen, meinte Obwexer.

>>> Zum Urteil des EuGH.

(kom/me)

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