Von Klimaschutz über Steuern bis Migration: Neues schlägt die designierte Präsidentin nicht vor. Und ohne die nationalen Regierungen wird sie selbst damit scheitern.
Straßburg. Die erste Nagelprobe für die neue Präsidentin der EU-Kommission hatte schon begonnen, bevor sie noch gewählt worden ist: Wird Ursula von der Leyen ihr Gelöbnis erfüllen können, gleich viele Männer wie Frauen in ihrem Kommissarskollegium zu haben? Mehr als die Hälfte der Mitgliedstaaten hatten ihre Kandidaten bereits benannt, ehe von der Leyen am Dienstagabend in Straßburg mit der knappen Mehrheit von neun Stimmen zur ersten Frau an der Spitze der Kommission gewählt wurde. Doch nur eine Handvoll Frauen finden sich darunter: neben von der Leyen sind das die Dänin Margrethe Vestager, die Finnin Jutta Urpilainen, die Bulgarin Mariya Gabriel und die Estin Kadri Simson. „Wenn die Mitgliedstaaten nicht genügend viele Kommissarinnen vorschlagen, werde ich nicht zögern, nach neuen Namen zu fragen“, sagte sie in ihrer Bewerbungsrede vor den Abgeordneten.
Ob sie sich damit durchsetzen kann, ist fraglich. Solche Personalentscheidungen sind in jedem Land Ergebnis des Abtausches von Parteiinteressen. Gegen den Willen einer nationalen Regierung wird von der Leyen sich weder in der Frage der Zusammenstellung ihrer Equipe, noch bei den großen inhaltlichen Vorhaben durchsetzen können, die sie sich für die kommenden fünf Jahre vorgenommen hat. Ein Überblick der wichtigsten Punkte ihrer Leitlinien.
1 Klimaschutz: Emissionshandel ausweiten, Energiewende fördern, Arme schützen
Netto keine Treibhausgasemissionen mehr im Jahr 2050: Das ist von der Leyens erstes Ziel. Ein entsprechendes Grundsatzpapier der Kommission wird seit einem halben Jahr von den Regierungen behandelt, Durchbruch gibt es noch keinen. Polen, Ungarn, Tschechien lehnen diese Dekarbonisierung ab. Von der Leyen versucht, deren Widerstand mit dem Versprechen zu überwinden, dass es mehr Geld aus dem EU-Budget für Regionen und Branchen geben solle, die beispielsweise von der Schließung von Kohleminen betroffen wären. Zudem solle die Europäische Investitionsbank in eine „Klimabank“ umbenannt werden und im kommenden Jahrzehnt eine Billion Euro für die Finanzierung der Energiewende aufstellen; die Hälfte ihres Geschäfts solle sie in diesem Bereich machen. Am konkretesten ist ihr Vorschlag der Ausweitung des EU-Emissionshandels: Die Schifffahrt solle auch an ihm teilnehmen müssen, die Luftfahrt nach und nach weniger kostenlose Verschmutzungszertifikate erhalten als bisher. Und, die politisch härteste Nuss: auch der Straßenverkehr und die Bauwirtschaft sollen solche Zertifikate kaufen müssen.