Zum Suizid ermutigt: Polizei entsetzt über Gaffer

Wer an Unfallstellen mitfilmt, macht den Einsatzkräften die Arbeit schwer.
Wer an Unfallstellen mitfilmt, macht den Einsatzkräften die Arbeit schwer.imago/Jochen Tack
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Die deutsche Polizei beklagte "beschämende Szenen" bei einem Einsatz in einem Hotel. Smartphone-Gaffer sind für Einsatzkräfte eine immer größer werdende Plage.

Das Verhalten der Schaulustigen habe "selbst erfahrene Polizeibeamte erschaudern lassen", berichtet Patrick Bergmann, Sprecher des Polizeipräsidiums Offenburg der "Süddeutschen Zeitung". Ein Mann hatte am Montagabend damit gedroht, sich vom Vordach des Hotelgebäudes am Baden-Badener Goetheplatz zu stürzen.

Dass Passanten mit Smartphones ihre voyeuristischen Triebe ausleben, sind Polizisten mittlerweile gewohnt. Doch mehrere Personen in der sich ansammelnden Menge hätten den Mann sogar dazu aufgefordert, er solle gefälligst springen. "Es ist eine Schwelle überschritten worden, die die Vorstellungskraft übersteigt", so Bergmann. Die Menge versuchte sozusagen, dem Unglück nachzuhelfen. Den Polizisten gelang es jedoch, den Mann in Gewahrsam zu nehmen und in eine Fachklinik zu bringen.

Normalerweise gibt die Polizei über Selbsttötungsversuche keinerlei Pressemeldung heraus, um mögliche Nachahmer in Lebenskrisen nicht zu einer ähnlichen Tat zu ermuntern. Doch der Vorfall vom Dienstagmorgen erschütterte die Polizei in ihrem Glauben an das Gute in der gaffenden Menge.

Hilfe bei Suizidgefahr

Wer Selbstmordgedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken.

Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Nummer: 142.

www.suizid-praevention.gv.at

Strafrechtlich bleibt der Vorfall ohne Folgen. Die Polizei wurde an ihrer Arbeit nicht behindert. In solchen Fällen wäre es ohnehin schwierig für die Beamten, nach Klärung der eigentliche Krisensituation noch die Personalien der auffälligen Gaffer aufzunehmen.

Dass Schaulustige und sensationsgeile Smartphonenutzer Einsatzkräfte behindern, kam zuletzt aber durchaus vor. Vor allem bei Verkehrsunfällen kommen herumstehender Amateurfilmer den Rettungskräften in die Quere. "Schämt euch, ihr Gaffer!", fand die Polizei in Hagen/Westfalen deutliche Worte auf Facebook, nachdem Schaulustige im April 2016 die Landung eines Rettungshubschraubers für ein Kleinkind verzögerten, das von einem Auto angefahren worden war.

Gaffer bei Unfällen sollen nach dem Willen einiger deutscher Bundesländer künftig strafrechtlich verfolgt werden können. Wer Feuerwehr, Katastrophenschutz oder Rettungsdienst bei Unglücksfällen behindert, dem sollen eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe drohen. Eine entsprechende Gesetzesinitiative brachten Niedersachsen und Berlin im Mai ein. Und auch in Österreich berichten Einsatzkräfte immer wieder von ähnlichen Vorfällen. Immer öfter setzen heimische Feuerwehren auch eine mobile Sichtschutz-Wand ein, um die Helfer und Opfer vor sogar Live-Übertragungen eines Einsatzes ins Internet zu schützen.

>> Der Artikel in der "Süddeutschen Zeitung"

(klepa/Ag.)

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