Russland: Regenbogen-Fußballmatch unter den Augen des FSB

Ein Fußballturnier für nicht-heterosexuelle Menschen in Russland ist eine konspirative Sache.
Ein Fußballturnier für nicht-heterosexuelle Menschen in Russland ist eine konspirative Sache. (c) REUTERS (Jorge Cabrera)
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Homosexuelle Sportfans nutzen die WM, um auf Diskriminierung aufmerksam zu machen. Im Alltag kämpfen sie gegen Hindernisse.

Moskau. Ein Fußballturnier für nicht-heterosexuelle Menschen in Russland ist eine konspirative Sache. Vom Veranstalter, der russischen Föderation für LGBT-Sport (LGBT steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender), erhält man ein Online-Formular, auf dem sämtliche persönliche Daten auszufüllen sind. Am nächsten Tag findet sich im Posteingang eine Information über den Veranstaltungsort. Ein nicht näher beschriebener Sportplatz; Fahrzeit vom Zentrum – über eine Stunde. Kurz stutzt man über die Notiz, man müsse über 18 Jahre alt sein und seinen Pass dabeihaben.

Am Ort angekommen kein Hinweis auf ein Fußballmatch: kein Plakat, kein Wegweiser. In der Ferne sind Anfeuerungsrufe zu hören, man folgt ihnen und findet den Sportplatz – endlich. Auf dem kleinen Feld ist ein Spiel zugange, Frauen und Männer gemischt, begeisterte Amateure, Orangefarbene gegen Grüne. Ein paar Unterstützer stehen am Rand und eine junge Frau, deren blondes Haar von einem Regenbogentuch zusammengehalten wird, schreit aus vollem Hals einem Spieler zu: „Roma, vorwärts! Wie kann man diese Gelegenheit verpassen? Ich geb dir gleich die rote Karte!“ Allgemeines Gelächter. Das ist es also, das Hochsicherheitsmatch, das wegen der russischen Gesetzeslage nur unter besonderen Vorkehrungen stattfinden kann.

Für die „Sicherheit der Spieler“

An der Bande hängen eine russische Flagge und eine Regenbogenfahne. Jemand, der draußen vorbeigeht, ein Kind etwa, bekommt das farbenfrohe Banner garantiert nicht zu sehen. So verlangen es die Behörden. Das Gesetz über „homosexuelle Propaganda“ verbietet seit 2013 jegliche positive Äußerung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen vor Minderjährigen. Auch dem Regenbogen werden als Symbol der LGBT-Bewegung propagandistische Ziele unterstellt.

Offenbar findet der Staat das Homo-Turnier dennoch höchst verdächtig: Ein Polizist und ein Beamter des Inlandsgeheimdienstes FSB beobachten das Match. Er sei „für die Sicherheit der Spieler“ hier, beteuert der Polizist. „Stabilität ist das Wichtigste“, vermeldet der FSB-Mann in Zivil. Freilich wirk es eher so, als würden sie die Sport-Aktivisten überwachen.

Alexander Agapow, Vorsitzender des Sportverbandes und einer der Spieler, zuckt mit den Schultern. „Normal ist das nicht.“ Der 35-Jährige kann viel über die Schwierigkeiten des schwul-lesbischen Sports berichten. Etwa bei der Reservierung von Sportplätzen – aktuell half ein Unterstützungsbrief des Weltfußballverbandes Fifa. „Solche Papiere zählen in Russland viel“, sagt Agapow. Sonst sei es sehr oft folgendermaßen: Die Organisatoren erhielten eine Bestätigung und kurz vor dem Event eine Absage „mit vorgeschobenen Gründen“. Häufig muss die LGBT-Sportföderation mehr Plätze reservieren als benötigt, alles offiziell aus Jugendschutzgründen. Sportevents als Spießrutenlauf.

Verblüfft über Fußballer

Vielleicht ist auch deshalb das Interesse der Gay Community am Sport mit Gleichgesinnten enden wollend: In Russland gibt es kein homosexuelles Fußballteam. Keine Spieler, die „out“ sind. Für das Moskauer Turnier hat sich nur eine Handvoll Personen registriert.

Michail, 40, ist einer der besten Spieler auf dem Feld. Er stammt aus St. Petersburg und spielte in seiner Kindheit Fußball in den Hinterhöfen der Stadt. Heute ist der Zenit-Fan in Amateurmannschaften aktiv – geoutet sei er da nicht, zu unsicher, sagt er. Abfällige Bemerkungen über Homosexuelle bekommt er dafür oft zu hören. Als er vor drei Jahren an einem großen Gay-Sportevent in Deutschland teilnahm, war er verblüfft. „Dass Schwule so gut Fußball spielen können, war Balsam für meine Seele“, erinnert er sich.

Agapow will den Weltcup dazu nutzen, um auf Homophobie im Fußball aufmerksam zu machen. Der russische Fußballverband unternehme nichts gegen den weit verbreiteten Rassismus und Homophobie auf dem Spielfeld, kritisiert er. Unlängst wagte der 35-Jährige ein Experiment: Beim Eröffnungsspiel Russland gegen Saudiarabien hisste er eine Regenbogenfahne im Stadion. Die Fifa gestattet das, es gibt Sicherheitsgarantien während des Weltcup. Agapow spricht von einem „symbolischen Sieg“, lenkt aber ein: „Niemand weiß, was nach der WM sein wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2018)

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