Inferno vor den Toren Athens

APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS
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In der Region Attika drangen die Flammen bis an die Küste vor. Viele verloren während ihrer Flucht die Orientierung und starben im Feuer. Es gibt mindestens 74 Tote, etwa 200 Menschen sind verletzt.

Athen. Als sich Montagmittag eine Rauchwolke über die südlichen Stadtviertel Athens legte und am Nachmittag Sturmböen ungeahnten Ausmaßes durch die Straßen und Gassen fegten, war bereits absehbar, dass dieser Tag schwierig für die griechische Feuerwehr werden könnte. Doch es kam noch viel schlimmer. Während sich zunächst die Aufmerksamkeit der Feuerwehr auf ein Großfeuer bei Kineta in Westattika konzentrierte, brach um 17 Uhr Ortszeit unerwartet ein Brand an der Ostküste Attikas aus, der außer Kontrolle geriet und bis zum Meer vordrang.

Ausgehend von einer Siedlung in den Hängen des Berges Penteli bahnten sich die Flammen bei Windstärken von bis zu neun Beaufort und einer Temperatur bis zu 40 Grad Celsius innerhalb kürzester Zeit ihren Weg Richtung Küste. Tausende Menschen, überrascht von der Geschwindigkeit des Feuers, flüchteten in ihren Autos oder retteten sich, wenn dieser Ausweg versperrt blieb, an den Strand und in das Meer. Dutzende Menschen wurden getötet, offiziell bis Dienstagmittag 74, mit weiteren Opfern ist jedoch zu rechnen. An die zweihundert Menschen wurden verletzt, elf davon schwer.

Den Weg nicht gefunden

Die vom Feuer betroffenen Siedlungen Neos Voutzas und Mati, Vororte von Rafina, dem Fährhafen Ostattikas, sind etwa 30 Kilometer vom Athener Zentrum entfernt. Sie sind dicht besiedelt, gleichzeitig aber auch dicht bewaldet. In diesem Athener Naherholungsgebiet befinden sich Ferienlager, Hotels, Tavernen, aber auch zahlreiche Haupt- und Nebenwohnsitze, die vor allem in den Sommermonaten bewohnt sind. Manche Menschen wurden in ihren Häusern überrascht, andere gerieten im engen, unübersichtlichen Straßennetz der zerklüfteten Vororte in Staus und waren gezwungen, zu Fuß um ihr Leben zu laufen. Wieder andere fanden im Rauch und in der Dunkelheit den Weg zum Meer nicht – und verbrannten.

Schockierend sind vor allem die Ereignisse auf einem Grundstück in der Nähe von Kokkino Limanaki. Eine Gruppe Menschen, die zu Fuß Richtung Meer flüchtete, verirrte sich, nahm den falschen Pfad und fand den Weg zum Meer durch eine Steilküste versperrt. 26 Männer, Frauen und Kinder, eng umarmt, fanden an dieser Stelle den Tod. Sie wurden Dienstagmorgen von einem Team des griechischen Roten Kreuzes entdeckt. Eine Frau erzählte vor laufender Kamera: „Eine ältere Frau sagte mir, welchen Pfad ich mit meiner kleinen Tochter nehmen muss; immer wieder fragte ich, ob das der richtige Weg ist. Ich bin mir aber sicher, dass viele, die hinter mir kamen, die Orientierung verloren haben.“

Ministerpräsident Alexis Tsipras rief am Dienstag eine dreitägige Staatstrauer aus und zum gemeinsam Kampf gegen das Feuer und seine Folgen auf. Regierungssprecher Dimitris Tzanakopoulos gab bekannt, dass Griechenland ausländische Feuerwehren um Hilfe gebeten habe.

Chaotische Evakuierung

Die Behörden haben mit der Aufnahme der Schäden begonnen. Bis zu 1000 Häuser sollen zerstört oder beschädigt sein. Tzanakopoulos sagte, dass die Boote der Küstenwache mit Hilfe von privaten Schiffen 715 Eingeschlossene über das Meer evakuiert und aus dem Wasser gerettet haben.

Die Verletzten wurden in Krankenhäuser im nahen Athen gebracht, über 70 Menschen trugen Verbrennungen davon. Die Bilder von Badenden, die tief in der Nacht in Badebekleidung nach Rafina gebracht wurden, gingen rund um die Welt. Viele erzählten, dass sie sich ins Wasser stürzten, um sich vor Verbrennungen zu schützen, andere verglichen das Szenario mit dem Vulkanausbruch von Pompeij.

Aufgrund der starken Winde konnten über Mati keine Wasserflugzeuge, sondern nur ein Wasser werfender Hubschrauber eingesetzt werden. Die starken Winde machten es der Feuerwehr außerordentlich schwer.

Kritik gab es an der völlig unorganisierten Evakuierung der Küstenzone. Immer wieder war zu hören, dass die Menschen völlig auf sich alleine gestellt waren. Anrainer regelten provisorisch den Verkehr, Ferienlager wurden offenbar auf eigene Faust evakuiert. Zuletzt hatte sich die Lage jedoch deutlich gebessert. Der Wind setzte aus, die meisten Brandherde in den insgesamt drei großen Brandgebieten in Attika waren gelöscht. Lediglich in Kineta kam es zur Wiederentfachung einzelner Brandherde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2018)

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