Die offizielle Opferzahl steigt. Nachbeben verbreiten Panik. Doch es gibt auch kleine Geschichten der Hoffnung: Helfer zogen einen Mann drei Tage nach der Katastrophe aus den Trümmern eines Hauses.
Bei der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe auf der indonesischen Insel Sulawesi ist die offizielle Opferzahl deutlich gestiegen. Die Behörden berichten von 1200 bestätigten Todesfällen. Die Katastrophenschutzbehörde sprach am Dienstag von mindestens 1234 Toten. Wahrscheinlich wird es noch Tage dauern, bis das ganze Ausmaß der Katastrophe klar ist. Der Sprecher der Behörde, Sutopo Nugroho, berichtete von mehr als 800 Verletzten. Die Opferzahl dürfte aber noch weiter steigen: Das Schicksal von tausenden Bewohnern abgelegener Gebiete ist immer noch unklar. Vielerorts fehlt es zudem an schwerem Gerät, um Trümmer wegzuschaffen.
Die Caritas Österreich entsendet Ersthelferin Miriam Ebner ins Krisengebiet. Sie und ihr Schweizer Kollege Lukas Fiechter werden Caritas Indonesien ab Mittwoch mit ihrem Know-how an Ort und Stelle in Makassa unterstützen. Für die Caritas war sie als Katastrophenhelferin in Griechenland (Flüchtlingshilfe), in Haiti (Hurrikan Matthew) und im vergangenen Jahr bei der Hungerkatastrophe im Norden Kenias im Einsatz.
Eine Sprecherin des indonesischen Roten Kreuzes sagte: "Das Schlimmste ist, eineinhalb Stunden durch den Schlamm zu waten und Leichen zu tragen." In der besonders betroffenen 350.000-Einwohner-Stadt Palu hat man inzwischen damit begonnen, Massengräber auszuheben.
Eine riesige Flutwelle stürzte am Abend des 28. September die indonesische Insel Sulawesi nach einem Erdbeben ins Chaos. Besonders betroffen: die Küstenstadt Palu mit etwa 350.000 Einwohnern. (c) REUTERS (BEAWIHARTA)
Vier Tage nach der Katastrophe waren einige abgelegenere Gebiete immer noch von der Außenwelt abgeschnitten, die Behörden rechnen mit zahlreichen weiteren Opfern. (c) REUTERS (BEAWIHARTA)
Am 1. Oktober wurden erste Massengräber ausgehoben. Bisher wurden nach jüngsten offiziellen Angaben 1347 Tote identifiziert, mindestens 113 Menschen werden diesen Informationen vermisst. (c) APA/AFP/BAY ISMOYO (BAY ISMOYO)
Befürchtet wird, dass die Zahl der Toten noch deutlich steigt: Das Schicksal von tausenden Bewohnern abgelegener Gebiete ist weiterhin unklar. Mindestens 48.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Die Behörden erklärten einen zweiwöchigen Notstand. (c) APA/AFP/OLA GONDRONK (OLA GONDRONK)
Auch am 1. Oktober hatten die Helfer Probleme, über zerstörte Straßen, Brücken und Häfen zu den Hilfsbedürftigen vorzudringen. In den meisten Gebieten gab es nach wie vor keinen Strom, lebenswichtige Medikamente wurden knapp. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Auch Lebensmittel, Wasser und Treibstoff gingen zur Neige. In ihrer Not plünderten Einwohner die Geschäfte. "Es gibt keine Hilfe. Wir brauchen Lebensmittel, uns bleibt keine andere Wahl", sagte ein Einwohner von Palu, während er seinen Korb mit Waren aus einem leer stehenden Geschäft füllte. (c) REUTERS (ANTARA FOTO)
Vor den Tankstellen bildeten sich lange Schlangen. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Schwer traumatisierte Überlebende suchten unterdessen verzweifelt nach vermissten Angehörigen. Zu ihnen gehört Adi, dessen Frau von einer Welle fortgerissen wurde. Sie wurden am Strand von Palu vom Tsunami überrascht. Sie hätten sich umarmt, doch "als die Welle kam, verlor ich sie", berichtete Adi. "Sie trug mich 50 Meter fort, ich konnte nichts mehr halten". (c) REUTERS (ATHIT PERAWONGMETHA)
Das nationale Zentrum für Meteorologie und Geophysik hatte nach dem schlimmsten Beben der Stärke 7,4 am Freitagabend zwar eine Tsunami-Warnung ausgegeben, hob sie nach nur einer halben Stunde aber wieder auf - aus Sicht von Kritikern viel zu früh. Die Behörde verteidigte sich mit dem Hinweis, dass das Wasser zu diesem Moment schon weder auf dem Rückzug gewesen sei. (c) REUTERS (ATHIT PERAWONGMETHA)
Der schwerbeschädigte Flughafen von Palu wurde für Hilfslieferungen wieder geöffnet - allerdings nur für Piloten, die auf Sicht landen können. Neben überfüllten Krankenhäusern wurden Verletzte auch unter freiem Himmel behandelt. Im Hof eines Krankenhauses lagen bei brütender Hitze dutzende in Säcke gehüllte Leichen. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Viele Bewohner von Palu zimmerten sich notdürftige Unterkünfte oder schliefen aus Angst vor weiteren Beben im Freien. Vielerorts gab es keinen Strom. Im Bild die schwer beschädigte Baiturrahaman Moschee. (c) REUTERS (ANTARA FOTO)
Aus dem Ausland trafen zahlreiche Hilfsangebote ein. Organisationen wie die Caritas, Rotes Kreuz und World Vision bemühten sich, die Hilfsbedürftigen zu unterstützen. Zur Finanzierung der Maßnahmen ergingen Spendenaufrufe. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Zahlreiche Anwohner beschwerten sich darüber, dass sie von den Behörden zu wenig Hilfe bekämen. "Hier hilft uns niemand, nicht einmal mit einem Glas Wasser", sagte ein Mann namens Mahmud. Ein anderer Mann, Amir Sidiq, meinte: "Hier ist überhaupt niemand von der Regierung oder einer anderen Organisation, um die Beisetzung der Leichen zu organisieren. Wir machen das alles selbst." (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Indonesien liegt auf dem Pazifischen Feuerring, der geologisch aktivsten Zone der Erde. Für die mehr als 260 Millionen Einwohner sind Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüche keine neue Erfahrung. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Beim Mega-Tsunami an Weihnachten 2004 starben dort mehr als 160.000 Menschen, so viele wie in keinem anderen Land der Region. Insgesamt kamen damals in den östlichen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans etwa 230.000 Menschen ums Leben. (c) APA/AFP/JEWEL SAMAD (JEWEL SAMAD)
Tsunami hinterlässt Chaos auf Sulawesi
Umso größer die Freude bei den Rettern, wenn sie Zeugen eines kleinen Wunders werden: Drei Tage nach dem Tsunami haben Helfer in der Stadt Palu einen Überlebenden aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses gezogen. Der Mann namens Sapri Nusin wurde am Montagabend aus der Ruine eines Regierungsgebäudes gerettet, wo er seit Freitagabend verschüttet war.
Die Behörden veröffentlichten am Dienstag ein Video, das die Rettung zeigt. Darauf ist zu sehen, wie Nusin von einem Helfer gefragt wird: "Kannst Du gehen?" Die Antwort: "Ja, aber ich bin sehr durstig." Anschließend wurde er zu einem Krankenwagen gebracht.
34 tote Bibelschüler
Allerdings sind nicht alle Geschichten so positiv: In den Trümmern einer zerstörten Kirche auf der Insel Sulawesi wurden 34 tote Bibelschüler gefunden. Die Opferzahl könnte noch steigen, weil zunächst 86 Bibelschüler als vermisst gemeldet wurden, wie eine Sprecherin des indonesischen Roten Kreuzes am Dienstag sagte.
Die Bibelschüler kamen im Jonooge Church Training Centre im bergigen Bezirk Sigi Biromaru südöstlich der Stadt Palu ums Leben. Die Kirche wurde nach dem Erdbeben vom vergangenen Freitag von einer Schlammlawine verschüttet. Die Arbeit der Rettungskräfte gestaltete sich schwierig: Die Gegend ist abgelegen und kann nur durch einen rund eineinhalbstündigen Fußmarsch erreicht werden, wie Rote-Kreuz-Sprecherin Aulia Arriani sagte.
Panik auf Sumba
Derweil sorgten neue Beben im Süden Indonesiens für Schrecken: Vor der Insel Sumba wurde am Dienstag zunächst ein Beben der Stärke 5,9 gemessen, kurz darauf ein Beben der Stärke 6,0. Berichte über schwere Schäden auf der Insel mit rund 750.000 Bewohnern lagen zunächst nicht vor. "Wir haben vier Erschütterungen gespürt", berichtete ein Hotelmitarbeiter in der Region. "Die Menschen sind beim ersten Beben in Panik geraten und aus dem Hotel gerannt."
Sumba liegt hunderte Kilometer südlich der Insel Sulawesi und rund 1600 Kilometer südlich der Stadt Palu, die von der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe besonders getroffen wurde.
Elf Länder, darunter Australien, Großbritannien und die USA haben bisher Flugzeuge mit Hilfsgütern in die betroffenen Gebiete der Insel Sulawesi gesendet.
Der 1800 Meter hohe Vulkan Soputan auf Sulawesi schleuderte am Mittwoch Asche in die Luft. Die Zahl der Toten nach dem Tsunami steigt auf mindestens 1200.
Noch immer konnten Einsatzkräfte nach der Beben- und Tsunamikatastrophe auf der Insel Sulawesi nicht alle betroffenen Gebiete erreichen. Die Hilfe läuft nur schleppend an.
Nach der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe auf der Insel Sulawesi nimmt die Kritik an den Behörden zu: Das Frühwarnsystem funktioniere seit Jahren nicht lückenlos.
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