Der Tod des russischen Geheimdienstchefs

Verstorben: GRU-Chef Igor Korobow.
Verstorben: GRU-Chef Igor Korobow.(c) REUTERS (HANDOUT)
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Der Militärgeheimdienst GRU war unter der Führung von Igor Korobow in die Kritik geraten. Waghalsige Operationen und Enttarnungen kennzeichneten seine Amtszeit.

Moskau. Nicht einmal drei Jahre stand Igor Korobow an der Spitze des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Nun ist er tot. Er sei am Mittwoch nach „langer und schwerer Krankheit“ verstorben, wie das Moskauer Verteidigungsministerium gestern verlautete. Korobow, der 1985 in den Dienst eingetreten war, wurde 62 Jahre alt. Als „wahrhaften Sohn Russlands“, als „Patrioten seines Vaterlandes“ werde man den Geheimdienstchef im Gedächtnis behalten, hieß es weiters. Präsident Wladimir Putin drückte Familie und Freunden Korobows sein Beileid aus. Der Präsident und der GRU-Chef seien in einem „ständigen Dialog“ gestanden, erklärte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow.

Korobows Fernbleiben von der 100-Jahr-Feier des Geheimdienstes in Moskau Anfang November hatte für Gesprächsstoff gesorgt. Auf den offiziellen Fotografien war lediglich sein Stellvertreter Igor Kostjukow im Dialog mit Putin zu sehen. Kostjukow wurde gestern zum kommissarischen Leiter des GRU ernannt und hat dem Vernehmen nach gute Chancen auf den Chefposten.

Zweifel an Herzinfarkt des Vorgängers

Während sich das offizielle Russland gestern in pietätvoller Zurückhaltung übte, waren in sozialen Medien zahlreiche Spekulationen zum Tod des Geheimdienstlers zu lesen – darunter die Frage, ob Korobow freiwillig aus dem Leben geschieden sei.

Bemerkt wurden die häufigen Rotationen an der Spitze des GRU in den vergangenen Jahren. Korobows Vorgänger, Igor Sergun, war im Jänner 2016 unerwartet 58-jährig verstorben. In einem Erholungsheim des GRU unweit der Hauptstadt. Offizielle Informationen sprachen von einem Herzinfarkt. Anderen Darstellungen zufolge soll er bei einem geheimdienstlichen Einsatz im Libanon ums Leben gekommen sein.

Und Korobow? Schon seit einiger Zeit hatten Ablösungsgerüchte des GRU-Chefs die Runde gemacht. Nach einer Unterredung mit Putin sei ihm übel geworden, berichtete unlängst der Radiosender Echo Moskwy. Zweifellos hatte der Kreml-Chef zuletzt keine Freude mit der Performance des Geheimdienstes. Unter der kurzen Führung des kahlköpfigen Generalobersts war der GRU nicht nur durch waghalsige Aktionen ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, er hatte sich auch ziemlich blamiert.

Undercover-Einsätze in ganz Europa

Insbesondere der dem GRU angelastete Giftangriff auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal im März 2018 entpuppte sich als Desaster für Moskau mit weitreichenden Folgen: Verhärtung des Klimas zwischen Ost und West, Ausweisung von Diplomaten, noch mehr Sanktionen. Auch der vor Kurzem in Österreich bekannt gewordene Fall der langjährigen Spionage eines Bundesheerobersts geht auf das Konto des GRU. Publik wurden zuletzt auch Undercover-Operationen in den Niederlanden, der Schweiz und Montenegro. Die Regierung des Adriastaates berichtete über einen vereitelten Putschversuch im Oktober 2016. Die Investigativplattform Bellingcat veröffentlichte gestern die Identität zweier Männer in diesem Zusammenhang. Sie sollen im Auftrag des GRU gehandelt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2018)

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