Schlag gegen Mafia: Großrazzia in vier europäischen Ländern

Razzia in einem Eissalon in Duisburg.
Razzia in einem Eissalon in Duisburg.APA/AFP/dpa/CHRISTOPH REICHWEIN
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Allein Deutschland wurden 14 Verdächtige festgenommen. Sie sollen Mitglieder der italienischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta sein.

90 Festnahmen in vier Ländern, 4000 Kilogramm Kokain sowie 140 Kilogramm Exstasy-Pillen: Das ist das Ergebnis großangelegter Razzien gegen Mitglieder der italienischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und Italien. Das teilte die Europäische Justizbehörde Eurojust am Mittwoch bei einer internationalen Pressekonferenz in Den Haag mit.

Allein in Deutschland seien bisher 14 Verdächtige in Gewahrsam genommen worden, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt von Duisburg, Horst Bien. Insgesamt werde im Rahmen der Operation mit dem Codenamen "Pollino" in Deutschland in einem laufenden Verfahren gegen 47 Beschuldigte ermittelt.

Gastwirt als Hauptverdächtiger

In Pulheim bei Köln wurde ein 45 Jahre alter Gastwirt festgenommen. Der Besitzer einer Osteria wird der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation beschuldigt, außerdem soll er beteiligt gewesen sein an "Kokainhandel in sehr, sehr umfangreichen Maße"

Seit Mittwochmorgen sind in Deutschland 65 verdächtige Objekte, darunter auch Pizzerien, durchsucht worden. Bien zufolge wurden vor allem in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern insgesamt Vermögenswerte in Höhe von rund fünf Millionen Euro vorläufig beschlagnahmt. An den Operationen seien rund 440 Beamte beteiligt, sagte Christian Hoppe, Leitender Kriminaldirektor des Bundeskriminalamtes (BKA). Die Ermittlungen gingen noch weiter.

Eurojust-Vizepräsident Filippo Spiezia bezeichnete die Operation als "außerordentlichen Erfolg". Möglich sei dies durch die Bildung eines gemeinsamen grenzüberschreitenden Ermittlerteams gewesen, das seine Arbeit bereits Anfang 2016 aufgenommen habe. Italiens Anti-Mafia-Staatsanwalt Fredirico Cafiero de Raho wies allerdings darauf hin, dass die 'Ndrangheta weiterhin stark und gefährlich sei: "Wenn wir glauben, wir haben die 'Ndrangheta ausgehoben, dann täuschen wir uns."

Von Kalabrien nach ganz Europa

Die 'Ndrangheta gehört zu den mächtigsten Mafia-Organisationen der Welt und ist längst international über die Grenzen Italiens hinaus aktiv. Beheimatet ist sie in der Region Kalabrien, der Spitze des italienischen "Stiefels" auf dem Festland gegenüber der Insel Sizilien.

Sie dominiert den internationalen Drogenhandel, verdient ihr Geld aber auch mit Waffen, Geldwäsche und durch Korruption. Experten schätzen, dass die 'Ndrangheta jährlich einen weltweiten Umsatz zwischen 50 und 100 Milliarden Euro macht. Nach Angaben der US-Bundespolizei FBI hat sie etwa 6.000 Mitglieder in 160 sogenannten Clans. Diese hängen über Familienbande miteinander zusammen.

Die Wurzeln der Organisation reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Angeblich leitet sich das Wort 'Ndrangheta vom griechischen "andragathos" ab, was "tapferer Mann" bedeutet. In den Ursprungsjahren der sogenannten Ehrenwerten Gesellschaft verdienten die "Tapferen" ihr Geld vor allem mit Entführung und Erpressung. Die traditionell mächtigsten Familien stammen noch immer aus der Hochburg San Luca in den Bergen Kalabriens.

Der Clan soll sich in den 1860er Jahren gegründet haben, als eine Gruppe Sizilianer von der italienischen Regierung von der Insel verbannt wurde. Die 'Ndrangheta hat auch in Deutschland ein festes Standbein. Clans der Organisation waren etwa für die Mafia-Morde von Duisburg verantwortlich, bei denen 2007 sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden.

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