Grönlands Eis schmilzt schneller als gedacht

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Die Eisschmelze in Grönland hat sich in zehn Jahren vervierfacht, fanden Forscher heraus - und warnen vor einer noch dramatischeren Entwicklung.

Das Grönländische Eis, nach der Antarktis die zweitgrößte permanent vereiste Fläche der Welt, schmilzt - und zwar schneller als gedacht: 2012 gingen wegen der globalen Erwärmung über 400 Milliarden Tonnen an Eismassen verloren, viermal so viel wie noch 2003. Das fanden Forscher der Ohio State University in einer Studie heraus, die sie nun in "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlichten.

Das Team unter der Leitung des Geodynamik-Professors Michael Bevis untersuchte Daten aus dem Programm GRACE (Gravity Recovery and Climate Experiment), einem gemeinsamen Projekt der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, das zwischen 2002 und 2017 mit einem Doppelsatelliten u.a. den Eisverlust auf der Erde maß, und GPS-Daten von lokalen Messstationen.

Dabei stießen sie auch auf Überraschendes: In Grönland konzentrierten sich Wissenschaftler bisher vor allem auf die Gegenden im Südosten und Nordwesten, wo ganze Stücke der Gletscher in den Atlantik fallen und dort langsam schmelzen. Die neue Studie förderte nun zutage, dass der Eisverlust im Südwesten Grönlands, wo es kaum Gletscher gibt, am höchsten war. Bevis geht davon aus, dass aufgrund der höheren Temperaturen dort das Oberflächeneis im Inselinneren schmilzt und dann über Flüsse ins Meer fließt. Damit trägt ein weiterer Faktor, der bisher kaum beachtet wurde, zum Anstieg der Meeresspiegel bei.

Natürliches Wetterphänomen ist nicht allein schuld

Umkehrbar ist diese Entwicklung nicht, man könne sie nur in der Zukunft abschwächen, sagt Bevis. Grund für die Eisschmelze sei ein natürliches Wetterphänomen, die Nordatlantische Oszillation (NAO), dessen Auswirkungen durch die globale Erwärmung dramatisch verschärft würden: "Diese Oszillation gab es schon immer. Warum führt sie erst jetzt zu dieser massiven Schmelze?", fragt Bevis und antwortet selbst: Weil zu der natürlichen Erwärmung eine weitere, von Menschen herbeigeführte Erwärmung hinzukomme.

Durch die NAO verlangsamte sich der Eisverlust ab 2013 zwar wieder, doch sei das kein Grund zum Aufatmen: Vor dem Jahr 2000 seien die Temperaturen insgesamt kalt genug gewesen, dass die Schwankungen der Verhältnisse keine großen Auswirkungen auf die Eismasse hatten. Wenn nun eine kurze Warmwetterphase das Eis derart zum Schmelzen bringen kann, dürfte ein Punkt erreicht sein, an dem auch kältere Phasen den Eisverlust nicht mehr eindämmen können. "In einem oder zwei Jahrzehnten wird die globale Erwärmung auch ohne Hilfe der NAO zu Schmelzraten wie im Sommer 2012 führen", warnen die Forscher.

Sollte der gesamte Grönländische Eisschild schmelzen, stiege der Meeresspiegel weltweit um sieben Meter.

(kanu)

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