Brasilien: Als die giftige Schlammlawine kam

Noch ist unklar, welche Gifte die Erdmassen enthalten, die sich nach dem Dammbruch der Eisenerzmine in ein Seitental des Rio Paraopeba ergossen haben.
Noch ist unklar, welche Gifte die Erdmassen enthalten, die sich nach dem Dammbruch der Eisenerzmine in ein Seitental des Rio Paraopeba ergossen haben. (c) APA/AFP/MAURO PIMENTEL
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Nach dem Dammbruch in der brasilianischen Bergbaustadt Brumadinho geht die Suche nach Überlebenden weiter. Die Dammanlagen waren erst im Vorjahr für sicher erklärt worden.

Buenos Aires/Sao Paulo. Es ist, als sei alles versunken in diesem Dreck. Lebensentwürfe, Sicherheiten, Kapital. Brumadinho war ein Städtchen, das vom natürlichen Reichtum dieser Gegend gelebt hat, dem Eisen, das hier die Erde rot färbt. Der Bundesstaat Minas Gerais trägt den Bergbau im Namen, der hier seit den Zeiten der portugiesischen Kolonialherren praktiziert wird.

In den Hügeln über dem Städtchen liegt die Mine Feijão, ein Tagebau, betrieben vom Erzriesen Vale, einem der mächtigsten Konzerne Brasiliens. Rückstände dieses Abbaus wurden in mehreren Becken verwahrt. Diese sind unterhalb der Mine, aber oberhalb der Stelle angelegt, an der das Verwaltungsgebäude des Konzerns Vale gestanden ist. Bis zum Freitag, als der Damm brach und zähflüssige Erdmassen bergabflossen. Sie begruben das Firmengebäude, die Büros, aber auch die Kantine, die gewiss gut besucht war. Denn der Tod kam zur Mittagszeit.

Wie eine träge Riesenschlange legten sich die Bergbaurückstände über einen Bachlauf, der hinunter zum Rio Paraopeba führt, der durch den Hauptteil der Kleinstadt fließt. Im Weg der Erdmassen, von denen noch nicht geklärt ist, welche Gifte sie enthalten, sind auch Wohnviertel und die Eisenbahnlinie hinauf zur Mine gelegen. Filmaufnahmen zeigen, wie die Schlammmassen Güterwaggons wie Spielzeug auftürmen. Die Dammanlagen waren im Vorjahr noch für sicher erklärt worden, nach einer Studie des TÜV Süd. Dessen Zentrale in München hat nun eine Untersuchung angekündigt.

Die Fernsehbilder von Rettungsteams, die verzweifelt versuchen, Überlebende aus der rotbraunen Hölle zu bergen, sind für Brasilien ein Déjà-vu. Im November 2015 wurde nach einem Dammbruch der Ort Bento Rodrigues verschüttet. Genauso in Minas Gerais, ebenfalls aus einem geborstenen Rückhaltebecken voller giftigen Unrats einer Mine, die – zumindest zum Teil – auch dem Konzerns Vale gehörte. Damals starben 19 Menschen unter den toxischen Schlammmassen, die in Folge das gesamte Gebiet des Rio Doce kontaminierten, auf 650 Kilometern Länge. Bis heute gilt der Dammbruch von Mariana als Brasiliens größte Umweltkatastrophe.

Suchtrupps aus Israel helfen

In Brumadinho könnten die Umweltschäden geringer ausfallen, hofft der CEO von Vale, Fabio Schvartsman, denn der Schlamm des geborstenen Rückhaltebeckens habe weniger Giftstoffe enthalten als jener von 2015. Zudem sei der Wasseranteil dieses Mal wesentlich geringer gewesen, was bewirkte, dass die Schlammmassen weitgehend in dem kleinen Seitental blieben und nicht über den Rio Paraopeba abflossen. Allerdings: Die menschliche Katastrophe ist in Brumadinho wesentlich größer. Am Sonntagabend meldete die Konzernleitung, dass immer noch 305 Menschen vermisst werden, 58 konnten nur noch tot geborgen werden. Mit den Stunden verrinnt die Hoffnung, dass die Retter noch Lebende aus dem braunen Morast ziehen können. Ein israelischer Spezialtrupp mit 140 Mann und extrem sensiblem Suchgerät soll ab Dienstag vor Ort sein, gab Brasiliens Regierung bekannt, die jegliche Verantwortung für die Katastrophe zurückwies. „Wir sind erst drei Wochen im Amt“, sagte Vizepräsident Hamilton Mourao.

Die Rettungsarbeiten mussten am Sonntagmorgen unterbrochen werden, weil die Firma ein weiteres mit Wasser gefülltes Rückhaltebecken zum Teil abpumpen ließ. Offenbar befürchteten die Verantwortlichen einen zweiten Dammbruch. 3000 Bürger, die ihre Häuser verlassen mussten, konnten am Abend wieder zurückkehren. In den nächsten Wochen werden sie erfahren, wie giftig die braune Masse vor ihren Häusern ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2019)

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