Prozess gegen New Yorker Guru wegen Sexsklaverei

Zeichnung der Gerichtsverhandlung.
Zeichnung der Gerichtsverhandlung.REUTERS
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Keith Raniere, Chef einer sektenähnlichen Selbsthilfegruppe, ließ Anhängerinnen mit Brandzeichen versehen und zwang sie zum Sex.

New York/Wien. Gemeinsam mit vier weiteren Frauen nahm Sarah Edmondson in einem Haus außerhalb New Yorks an der geheimen Zeremonie teil. Sie alle wollten in den exklusiven Club DOS aufgenommen werden, der Frauen vorbehalten war, von dem niemand Genaueres wusste. Die Frauen mussten sich ausziehen, die Augen wurden ihnen verbunden, sie setzten sich nackt im Halbkreis auf den Boden. Dann wurde Edmondson aufgefordert, sich auf eine Liege zu legen, und eine Ärztin verpasste ihr ein Brandzeichen, das sie für immer an ihren Meister binden sollte. Seine Initialen KR wurden ihr in der Leistengegend eingebrannt. „Ohne Betäubung wurde mir dreißig Minuten lang etwas in mein Fleisch gebrannt, von dem ich erst später herausfand, dass es seine Initialen waren“, erzählt Sarah Edmondson, die jahrelang eine glühende Anhängerin des Gurus aus den USA war, in einer TV-Dokumentation. Die anderen Frauen waren gezwungen worden, sie festzuhalten und mitzufilmen.

Seit gestern, Mittwoch, steht ihr „Meister“, KR, im New Yorker Stadtteil Brooklyn vor Gericht: Der 58 Jahre alte Keith Raniere muss sich unter anderem wegen Frauenhandel, sexueller Ausbeutung und Nötigung verantworten. Bei dem selbsternannten Guru, dem lebenslange Haft droht, wurde auch pornografisches Material sichergestellt, auch von Minderjährigen.

Gehirnwäsche und Gehorsam

Der US-Amerikaner hatte sich 20 Jahre lang als Guru einer Selbsthilfegruppe namens Nxivm (Nexium ausgesprochen) stilisiert, die Frauen Selbstoptimierung, Erfolg und Erlösung versprach. Die ausschließlich weiblichen Anhänger konnten mehrtägige, psychologische Seminare zu Themen wie Erfolg und Glück um mehrere Tausend US-Dollar buchen. Das Motto lautete: „Working to Build a Better World“ (Wir arbeiten an einer besseren Welt). Wer sich den Kurs nicht leisten konnten, durfte für Raniere arbeiten – und rutsche so in seine Abhängigkeit. Seine engen Mitarbeiterinnen – alle Frauen – sollten für ihn Sexpartnerinnen rekrutieren. Er ließ „Verträge“ aufsetzen, verlangte Nacktfotos und Dokumente als Garantien. Eine der Zeuginnen, die in Brooklyn aussagten, gab an, dass sie von Raniere angeordnete Aufträge erfüllen musste wie z. B. ihn mit Nackfotos zu versorgen und ihm zur sexuellen Verfügung zu stehen.

Schauspielerin rekrutierte Sklavinnen

Mit seinen Kursen sprach er auch die feine Gesellschaft New Yorks an sowie Hollywood-Schauspielerinnen. Eine seiner engesten Mitstreiterinnen war Sara Bronfman, eine der Erbinnen des Whisky-Milliardärs Edgar Bronfman. Sie soll Raniere nicht nur finanziert, sondern ihm auch neue Mitglieder verschafft haben. Die Schauspielerin Allison Mack, bekannt als blonde, zarte Freundin von Superman in der Serie „Smallville“, musste im April eingestehen, für ihren „Meister“ Sexsklavinnen beschafft zu haben.

Die 36-Jährige hatte die Vorwürfe zunächst bestritten. Sie habe daran geglaubt, Menschen zu helfen, sagte sie kurz nach ihrer Verhaftung. „Ich habe erkannt, dass ich und andere an kriminellem Verhalten beteiligt waren,“ meinte Mack wenig später. Sie plädierte auf schuldig, ihr wird im Herbst der Prozess gemacht.

Keith Rainiere, der sich von seinen Jüngerinnen „Vanguard“ (Vorhut) nennen ließ, stellte sich als Genie mit etlichen akademischen Titeln und einem IQ von 240 dar. Zu seinem Geburtstag ließ er sich eine Woche lang feiern, mit hingebungsvollen Tänzen und Gesängen, die Teilnehmerinnen zu Tränen rührten. Ins Rollen gebracht hat den Fall die „New York Times“ mit ihren Recherchen bereits vor fast zwei Jahren. Raniere floh nach Mexiko, wo er schließlich 2018 festgenommen wurde. (zoe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2019)

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