Zerstörerisch entluden sich am Samstag die Spannungen zwischen Aktivisten und Polizei in Hongkong. Einem Protestverbot zum Trotz gingen Tausende auf die Straße. Während sich radikale und friedfertige Demonstranten nicht spalten lassen wollen, zieht sich andernorts eine Kluft durch die Gesellschaft.
Geschichten des Jahres. Dieser Artikel ist am 31. August 2019 erschienen.
Zunächst war da nur dieses mulmige Gefühl. Ein bedrohliches Zittern in der Luft, das die dramatischen Ereignisse des Abends vorwegnahm. Immer lauter wurde das Knattern, bis die Helikopter, die am grauen Himmel über Hongkong ihre Kreise zogen, zwischen den Hochhäusern aufblitzten. Bis der Hubschrauberlärm selbst die lauten Rufe Tausender Demonstranten, die sich Samstag im Finanz- und Regierungszentrum der chinesischen Sonderverwaltungszone versammelt hatten, übertönte. „Befreit Hongkong, Revolution unserer Zeit“, „Kämpft für Freiheit“, schrien die Menschen durch ihre Atemmasken, hinter denen sich vor allem junge Gesichter versteckten.
Hongkong Island sollte an diesem Abend ins Chaos stürzen: Stundenlang lieferten sich Demonstranten und Polizei auf knapp drei Kilometern Straßenschlachten. Die Aktivisten stürmten den Legislativrat, entfachten an mehreren Orten Feuer, warfen Brandsätze und Ziegelsteine auf die Beamten, randalierten in U-Bahn-Stationen, setzten Laserpointer ein. Die Sicherheitskräfte reagierten mit Tränengas und Gummigeschossen, feuerten blaues Wasser gegen die Demonstranten, um sie nachher leichter identifizieren zu können. Auch Warnschüsse feuerten die Beamten ab. In den frühen Morgenstunden stürmten die Polizisten U-Bahn-Stationen und schlugen auf Menschen, von denen sie glaubten, sie seien Demonstranten, ein.
Zerstörerisch entlud sich die Spannung, die sich in den vergangenen Tagen zwischen Regierung und Demonstranten aufgebaut hatte.
Die Administration unter Carrie Lam hatte einen für Samstag angekündigten friedlichen Protestmarsch verboten. Am Freitag ließ sie mehrere prominente Aktivisten und prodemokratische Abgeordnete festnehmen. Die Volksbefreiungsarmee schürte mit Truppenübungen die Angst vor einer Militärintervention.