Auch Gewalt darf sein!

Wie unterscheidet man sinnvolle von weniger sinnvollen Spielen? Ab wann ist ein Spiel gefährlich? Und welches Spiel ist das richtige für mein Kind?

WIEN.Die Latte für ein Verbot von Computerspielen liegt in Österreich sehr hoch. In den Jugendschutzgesetzen der Länder wird festgelegt, dass Spiele, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu gefährden, nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Eine echte Entwicklungsgefährdung durch ein Spiel ist aber sehr schwer nachzuweisen. Verboten sind auch Spiele, die NS-Gedankengut fördern.

Um Eltern darüber hinaus eine Orientierungshilfe in der Spieleflut zu bieten, wurde im Gesundheitsministerium die BuPP (Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computerspielen) eingerichtet. Dort testen vier Mitarbeiter gemeinsam mit externen Experten und Jugendlichen regelmäßig Marktneuheiten. Wird ein Spiel für gut befunden, kommt es samt ausführlicher Beschreibung auf die Homepage (www.bupp.at). Spiele, die „durchfallen“ – etwa „Warhammer“ oder „World of Warcraft“ –, werden hingegen nicht erwähnt.

Was sind die Kriterien für ein sinnvolles Spiel? „Ganz wichtig ist der Spielspaß. Wir wollen kein Negativ-Prädikat sein. Wenn unsere Spiele zwar pädagogisch wertvoll, aber langweilig sind, hilft das der Sache wenig“, erklärt Herbert Rosenstingl, Leiter des BuPP.

Außerdem wird geprüft, ob das Spiel Lernprozesse anregt, ob übermäßige oder altersinadäquate Gewalt darin vorkommt, ob Gewalt als Selbstzweck eingesetzt wird, ob sich die Kinder mit den Figuren identifizieren können. „Wir wollen Spiele in den Vordergrund stellen, die nicht Stereotypen abbilden, sondern Identifikationsmöglichkeiten für beide Geschlechter bieten“, sagt Rosenstingl. Natürlich gebe es aber Unterschiede zwischen Buben und Mädchen. „Buben spielen mehr – und sie bevorzugen kompetitive Spiele. Mädchen spielen lieber spielzeugähnliche Spiele wie die Sim-Simulationen – sie spielen eher mit dem Computer als gegen ihn.“ Auch die Nintendo-Wii-Spiele (z.B. Wii-Yoga) sprechen vermehrt Mädchen und junge Frauen an.

Rangelei in virtuelle Welt verlegt

In der „Zeit“ erklärt der Kinderpsychiater Georg Romer, wieso Ballerspiele auf Buben so einen Reiz ausüben: „Jungs sind von Natur aus wettkampforientiert, suchen die Auseinandersetzung. Aber das ist gesellschaftlich nicht mehr erwünscht. Jede Rangelei auf dem Schulhof ist ein Fall für den Psychologen. Frühere literarische Vorbilder wie Tom Sawyer wären heute Fälle für die Kinderpsychiatrie. Also verlegen die Jungs ihre Wettkämpfe in virtuelle Welten.“

Beim Kauf eines neuen Spiels sollten die Eltern in erster Linie wissen, was ihr Kind gerne spielt. Soll es um schnelle Reaktionen und präzises Steuern oder eher um Hirnschmalz und Knobelei gehen? En Reiterhof, ein Golfplatz, eine mittelalterliche Burg oder ein Space Shuttle? Simulationen wie Second Life sind nichts für Kids. „Da gehören Kinder genauso wenig hin wie in eine reale Bar oder Disco“, meint Rosenstingl. Zu beachten sei auch, dass Werbung in Spielen zunimmt. „Das Ingame Advertising wird mehr – da kann man nur durch Medienaufklärung in der Schule oder zu Hause gegensteuern.“ Wenn das Spiel einmal gewählt und gespielt wird, heißt es für die Eltern: reden, reden, reden – oder mitspielen. „Nur so können sie herausfinden, ob das Kind mit den Inhalten schlecht umgehen kann.“ tom

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2008)

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