Der dänische Staat sperrt seine Lehrer aus

Lehrer Dänemark
Lehrer Dänemark(c) EPA (KAPSPER PALSNOV)
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Die Regierung will Nachmittagsunterricht für Grundschüler einführen. Die Lehrergewerkschaft legt sich gegen längere Arbeitszeiten quer. Staat und Kommunen schalten nun deshalb auf hart.

Kopenhagen. Für rund 875.000 dänische Schüler gehen die Osterferien vorerst unbefristet weiter. Mit der Aussperrung von 69.000 Lehrern haben Staat und Kommunen den bisher umfassendsten Arbeitskampf im öffentlichen Dienst eingeleitet. Dabei steht nicht der Lohn, sondern die Arbeitszeit im Mittelpunkt: Die Arbeitgeber drängen auf flexiblere Regelungen und mehr Unterricht, um die geplante Schulreform durchführen zu können. Dass sie dabei den Lehrern das neue Modell mit ultimativen Forderungen diktieren wollen, sehen Experten als Angriff auf das dänische Modell, nach dem sich die Tarifparteien ohne Einmischung aus der Politik auf die Arbeitsbedingungen zu einigen pflegen.

Mit aufwendigen Inseratenkampagnen heizten beide Seiten die Stimmung an, ehe am Dienstag die Schulen erstmals geschlossen blieben. Die öffentlichen Arbeitgeber werfen den Lehrern vor, an überholten Modellen festhalten zu wollen. Im bisherigen Tarifvertrag sei für jede Lehrstunde ausgiebige Vorbereitungszeit gesichert, weshalb die durchschnittliche Unterrichtszeit nur 16 Wochenstunden betrage. Diese Zahlen bezeichnet der Lehrerverband als irreführend und warnt seinerseits vor einer „Diskontschule“, wenn ohne entsprechende Vorbereitung unterrichtet werden müsse.

Der Konflikt trifft sämtliche 670.000 Grundschüler von der Vorschule bis zur neunten Klasse und zudem zahlreiche Absolventen der Berufs- und Erwachsenenbildung. Viele fürchten nun um die Vorbereitung auf ihre Abschlussexamen, auch wenn Unterrichtsministerin Christine Antorini garantiert, dass alle Schüler ihre Zeugnisse bekommen würden. Nun müssen Eltern Urlaub nehmen oder ihre Kinder zur Arbeit mitbringen, Großeltern springen ein, Sportklubs und Freizeitheime erweitern ihre Öffnungszeiten, und in manchen Schulen organisiert der Elternverein die Betreuung durch Freiwillige. Beamtete Lehrer, die vom Konflikt nicht betroffen sind, halten ihren Unterricht, übernehmen aber keine Stunden ihrer ausgesperrten Kollegen.

Bruch der Tarifautonomie

Wie lange der Konflikt dauern wird, ist offen. Aussperrungen im öffentlichen Dienst sind äußerst selten. In diesem Umfang gab es sie in Dänemark noch nie. Doch die Verhandlungen waren so festgefahren, dass die staatliche Schlichterin ihre Vermittlungsbemühungen aufgab. Ein Gesprächsangebot der Lehrergewerkschaft lehnte der Kommunalverband, der die Verhandlungen für die Arbeitgeber führt, ab.

Die Arbeitnehmervertreter werfen ihren Gegenspielern daher Foulspiel vor: Diese warteten nur darauf, dass die Regierung in den Konflikt eingreife und das von den Arbeitgebern gewünschte Modell diktiere, nach dem den Schulleitern das Dispositionsrecht über die Verteilung der Arbeitszeit gesichert wird. Dies kann durch einen Gesetzesvorschlag von Arbeitsministerin Mette Frederiksen geschehen. Eine Mehrheit dafür im Parlament wäre sicher, doch es wäre ein Bruch mit der Tarifautonomie. Dass Regierung und Kommunalverband dieses Vorgehen abgesprochen haben, weist Finanzminister Bjarne Corydon zurück, interne Mails enthüllen aber engen Kontakt zwischen seinem Departement und den öffentlichen Unterhändlern.

Die Regierung plant die Einführung einer Ganztagsschule mit durchgehendem Unterricht von 8 bis 14 Uhr für die Jüngsten und bis 15.30 Uhr für die älteren Grundschüler, und dieses Modell ist nur durchzuführen, wenn die Lehrer länger unterrichten. Falls es nicht doch noch eine gütliche Lösung gebe, werde die Regierung den Konflikt in etwa zwei Wochen beenden und sich dabei auf wachsenden Druck von Eltern und Schülern berufen, glauben Arbeitsmarktexperten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2013)

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