Aufnahmeverfahren für Lehrer statt „Gerangel um Plätze“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Unterrichts-ministerin Schmied (SPÖ) will Eignungstests vor dem Lehramts-studium einführen. Jugendliche sollen für den Lehrberuf „begeistert“ werden.

Die Presse: Sie legen heute dem Ministerrat eine Gesetzesnovelle vor, die einen verstärkten Unterricht in politischer Bildung zum Inhalt hat. Sind Österreichs Jugendliche politisch so desinteressiert?


Claudia Schmied: Sie sind nach einigen Studien nicht desinteressiert. Es wird der Schule großes Vertrauen zugesprochen, ein Ort zu sein, wo politische Bildung sehr achtsam vermittelt werden kann. Dieses Vertrauen müssen wir nutzen. Zum einem geht es um die Senkung des Wahlalters, daher muss politische Bildung schon früher stattfinden (laut Gesetzesvorlage in der 8. Schulstufe, Anm.). Ein zweiter Punkt ist die Art und Weise, wie politische Bildung vermittelt wird. Dazu gibt es Ergebnisse der Arbeitsgruppen Lehrerfortbildung und Unterrichtsgestaltung noch im Juni 2008.


Schmied: Das Dilemma beginnt schon früher, nämlich nach der Pflichtschule. Es ist ein Faktum, dass die Bildungs- und Berufsentscheidung in Österreich nicht gut gelingt. Das zeigen zum Beispiel die hohen Dropout-Quoten im Bereich der berufsbildenden mittleren und höheren Schulen. Unser großes Ziel ist auch die stärkere Individualisierung des Unterrichts, das Achten auf Begabungen und Talente.

Die Unis klagen darüber, dass die Studienanfänger nicht optimal vorbereitet sind. Soll Ihre Maturareform mit teilweise zentralen Vorgaben hier etwas ändern?


Schmied: Das ist eines der Vorhaben im Zusammenhang mit dem Großprojekt „Qualität der Schule verbessern“. Das sind im Wesentlichen drei Punkte: erstens kleinere Klassen, zweitens Bildungsstandards mit einer Outputsteuerung: Was können Jugendliche nach der vierten, nach der achten Schulstufe? Und drittens die „Matura neu“, auch im Sinne der Qualitätssicherung.


Teilzentrale Reifeprüfung heißt: Sie wird in ganz Österreich auf einem vergleichbaren Level sein.


Schmied: Diese Matura kommt jetzt im Bereich der AHS. Es darf nicht sein, dass wir zwischen Neusiedler See und Bodensee eine ganz unterschiedliche Qualität haben. Diese Matura brauchen wir auch, um anschlussfähig zu sein zu den Universitäten. Und wir brauchen auch eine internationale Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse.

Ist es dann noch gerechtfertigt, dass die Universitäten eigene Aufnahmeprozeduren haben?


Schmied: Absolut Ja. Ich denke da vor allem an den Lehrberuf, wo ich für eine Verbesserung der Aufnahmeverfahren bin, weil es gerade bei diesem Beruf darum geht, fachliche Kompetenz gemeinsam zu betrachten – mit Mitmenschlichkeit, mit sozialer Kompetenz. Ich bin im Bereich des Lehramtes ganz klar für Aufnahmeverfahren, nicht punktuelle Tests, aber getragen von dem Wunsch, die Bestgeeigneten zu erhalten.

Also Entscheidung nach einem Semester?


Schmied: Oder vielleicht sogar zwei. Es gibt da vom Professor Michael Schratz in Innsbruck (Fachgebiet Schulpädagogik) schon erste Pilotprojekte. So wird dann auch die hochqualitative weitere Ausbildung gesichert. Es ist eine Schimäre, zu sagen, es dürfen zwar alle in das Studium hinein, innerhalb des Studiums herrscht dann aber möglicherweise ein catch as catch can, ein Gerangel um Studienplätze. Ich halte eine Aufnahmephase im Bereich des Lehramts für absolut notwendig.

Es gibt also nur so viele Studienplätze, wie es mittelfristig freie Posten gibt.


Schmied: Da habe ich überhaupt keine Sorge, zwischen 2012 und 2020 gehen etwa 60.000 Lehrer und Lehrerinnen in Pension. Es ist heute schon notwendig, dass wir junge Menschen für den Lehrberuf begeistern.


Uni-Restriktionen müssten also auch für andere Studien gelten?


Schmied: Wir haben das zum Teil in anderen Studienrichtungen jetzt schon. Ich glaube, dass es vor allem dort notwendig ist, wo auch die soziale Verantwortung in einem hohen Maß gefordert ist. Sprich: In pädagogischen Berufen.

Um das Gesamtschulmodell „Neue Mittelschule“ ist es ruhig geworden. Der Start erfolgt im Herbst, jetzt schaut es so aus, als würde es gerade nur eine reformierte Hauptschule.


Schmied: Es ist mir gar nicht so wichtig, was draußen auf der Schule steht, es geht darum, was in der Schule stattfindet. Wir starten jetzt mit 66 Standorten „Neue Mittelschule“, viele Eltern haben ihre Kinder dort angemeldet, auch Kinder mit AHS-Reife.

Die ÖVP hat sich im Vorjahr gegen Ihren ursprünglichen Gesetzesplan quergelegt, es gibt jetzt eine weniger weitgehende Variante. Würden Sie sich einen anderen Koalitionspartner als die ÖVP wünschen?


Schmied: Also, ich bin momentan sehr zufrieden mit dem Regierungspartner – bei der Vorbereitung der aktuellen Regierungsvorlage genauso wie beim Vorhaben „Lehre mit Matura“. Ich glaube, dass wir die großen ideologischen Hürden, die es bei der Neuen Mittelschule gab, überwunden haben.

Zu einigen aktuellen Punkten bitte ich um kurze Antworten: Verpflichtender Ethikunterricht, wenn Schüler nicht am Religionsunterricht teilnehmen?


Schmied: Das müssen wir breiter diskutieren, auch im Sinne von Wertevermittlung, von interkulturellem Dialog. Im Augenblick steht das nicht auf meiner Agenda.

Kein Durchfallen mehr in der Schule?


Schmied: Das ist ein Ziel von mir. Ich hoffe sehr, dass wir dem in der Neuen Mittelschule näher kommen. Das kann man auch über das Modulsystem, wie es derzeit in der Oberstufe erprobt wird, erreichen.

Das heißt: In einem Gegenstand schließt man nicht positiv ab, steigt aber in den anderen Modulen auf.


Schmied: Ja.

Abschaffung der Landesschulräte, dafür Bildungsdirektionen?


Schmied: Das kann man in einer Entweder-oder-Frage nicht beantworten. Ich bin für klare Bundeskompetenzen bei allen Lehrern. Ich bin auch für eine Stärkung der Verantwortung am Schulstandort, über die Steuerung dazwischen müssen noch Gespräche geführt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2008)

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