Schulautonomie: Für OECD-Bildungsdirektor "überfälliger Schritt"

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher
Bildungsministerin Sonja Hammerschmid und OECD-Bildungsdirektor Andreas SchleicherAPA/HERBERT NEUBAUER
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Andreas Schleicher bezeichnet die Schulautonomiereform als "gelungen". Die personelle Hoheit der Direktoren geht ihm aber noch nicht weit genug.

Viel Kritik hat die Regierung für ihr geplantes Schulautonomiepaket von Eltern, Lehrern und anderen Interessensvertretungen einstecken müssen. Experten sieht das Bildungsministerium allerdings auf seiner Seite, darunter etwa OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Für den Bildungsforscher ist die geplante Reform ein "überfälliger Schritt", wie er gegenüber der Austria Presseagentur betont.

"In der heutigen Zeit ist es wichtig, dass die Schulen mehr Verantwortung übernehmen für die inhaltliche Ausgestaltung und Lernumgebung", so Schleicher. Dafür müssten sie aber auch den notwendigen Freiraum erhalten. "Bei der geplanten Reform ist das in meinen Augen wirklich gut gelungen." Schulautonomie werde nämlich nicht nur als Funktion der Leitung, sondern auch der Lehrkräfte angesehen.

Beiden Gruppen würden mit der geplanten Reform viel mehr Möglichkeiten gegeben, ihre Lernumgebung selbstständig zu gestalten. Als Beispiele nennt er die Entscheidung des Direktors über die Größe der Lerngruppe und die Dauer der Unterrichtseinheiten. "Die Schulleiter und Lehrer sind die Experten. Sie wissen selbst am besten, wie groß eine Gruppe für eine spezifische Unterrichtssituation sein kann."

Personalhoheit noch nicht ausgeprägt genug

Bei der Personalentwicklung geht Schleicher der Plan unterdessen noch nicht weit genug - vorgesehen ist derzeit die Auswahl der Lehrer durch den Leiter der Schule bzw. des Clusters (Zusammenschluss aus bis zu acht Schulen unter einem Leiter) und mehr Fortbildungen nach dem konkreten Bedarf. In anderen Ländern gebe es hier mehr Freiraum: In Schweden etwa müssten sich die Direktoren Gedanken machen, wie sie ihre Mitarbeiter bezahlen, in England müssten sie mit einem Drei-Jahres-Budget planen. "Da geht noch mehr, aber es ist einmal ein Einstieg."

Ob künftig auch tatsächlich mehr Entscheidungen vor Ort getroffen werden, hängt laut Schleicher von den Schulen selber ab. Deshalb sei es auch "ganz wichtig", Schulleiter und Lehrer bei dieser Entwicklung mitzunehmen. "Autonomie setzt aber immer Freiwilligkeit voraus, die kann man schwer verordnen." Die Idee, dass andere Schulen von sogenannten Leuchtturmschulen unterstützt werden sollen, die schon jetzt die schulautonomen Spielräume nutzen, gefällt Schleicher deshalb gut. Lehrer bräuchten tatkräftige Anleitung und Unterstützung für den Kulturwechsel.

Der größte Gewinn, den sich Schleicher vom Schulautonomiepaket in Österreich erwartet, ist mehr Austausch - zwischen den Lehrern, aber auch zwischen den Schulen. Dabei sei etwa besonders wichtig, dass der Schul(cluster)leiter die pädagogische Leitung als seine Aufgabe verstehe, sich intensiv mit dem Unterrichtsgeschehen befasse und die Kollegen an einen Tisch bringe. Bei projektbasiertem Unterricht etwa müssten sich die jeweiligen Fachlehrer intensiv abstimmen. Es gehe auch darum, gute Ideen und Materialien zur Verfügung zu stellen und - "das ist glaube ich in Österreich immer noch sehr im Argen" - die Zusammenarbeit zwischen den Schulen zu fördern, die derzeit viel zu sehr als Einzelinstitutionen dastünden.

"Kann nicht sein, dass Leute sagen: Ich will das nicht"

Cluster sind für Schleicher ein "ganz zentraler Baustein der Reform". Für die einzelne Schule wäre Autonomie nämlich nur schwer umsetzbar. In vielen Ländern, etwa den Niederlanden oder Dänemark, würden solche Netzwerke in der Praxis auch sehr gut funktionieren. Die Angst, dass dadurch der notwendige Ansprechpartner vor Ort wegfalle, teilt der OECD-Bildungsdirektor nicht. Das Ziel müsse die gemeinschaftliche Leitung einer Schule sein, wo auch Aufgaben delegiert werden. "Hier mehr Flexibilität zu schaffen, wird sicher zu kreativen Lösungen führen".

Dass das Gesetz die Bildung von Clustern bei besonders kleinen und nah gelegenen Schulen auch gegen den Willen der Lehrer ermöglicht, findet Schleicher schlüssig. Es sei zwar extrem wichtig, die Betroffenen durch Überzeugungsarbeit mitzunehmen. "Aber es kann auch nicht sein, dass Leute einfach sagen: Ich will das nicht. Der Status quo ist keine Alternative." Sobald Lehrer und Schulleiter sehen würden, wie viel spannender und kreativer ihre eigene Arbeit durch die neuen Freiräume werde, werde das Konzept aber auch viele Anhänger finden. "In Bildungssystemen mit mehr Flexibilität und Freiräumen ist die Zufriedenheit höher."

(APA)

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