„Duden“ adelt Fake-News, das Facebooken und den Flexitarier

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Tindern, entfreunden und Emoji, Hoodie und Hygge: 5000 neue Stichwörter sind im neuen „Duden“ – und so viele Stichwörter wie nie zuvor in der Geschichte des wichtigsten deutschsprachigen Wörterbuchs. Dieses versteht sich immer mehr als „Spiegel der Zeit“.

Flüchtlingskrise, Willkommenskultur und Hasskriminalität, Lügenpresse, Fake-News und postfaktisch: Die Wörter finden sich alle in der am Mittwoch erscheinenden Neuauflage des „Dudens“. Es sind insgesamt 5000 Neuzugänge, so viele wie nie zuvor. Neben politisch aktuellen Schlagwörtern sind viele selbstverständlich gewordene Begriffe aus der digitalen Kommunikation darunter: etwa das Emoji (Piktogramme zum Ausdruck von Gefühlen, Dingen oder Lebewesen), entfreunden, facebooken oder tindern. Aus der Umgangssprache (vor allem Deutschlands) kommen Wörter wie futschikato oder abgezockt. Ein großer Bereich der Neuzugänge umfasst auch Modephänomene wie Low Carb, Hoodie (Kapuzenpulli) oder das dänische Hygge – ein Gemütlichkeits-Lebenskonzept, das in den vergangenen Jahren durch Ratgeberbücher bekannt geworden ist. Auch der Flexitarier ist neu. Viele fallen wohl unter diesen Begriff, ohne es zu wissen: Flexitarier verzichten nicht ganz auf Fleisch und Fisch wie die Vegetarier, halten sich aber bei tierischen Produkten zurück und kaufen diese möglichst verantwortungsbewusst.

Alle drei bis vier Jahre wird der „Duden“ aktualisiert, mit 145.000 Stichwörtern ist er nun so umfangreich wie nie zuvor, enthält rund fünfmal so viele Wörter wie das „Vollständige Orthographische Wörterbuch“, das der deutsche Gymnasiallehrer Konrad Duden im Jahr 1880 herausgab. Er wollte die Rechtschreibung vereinheitlichen, was ihm mit seinem sehr erfolgreichen Wörterbuch auch gelang. Dessen Regeln wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das gesamte Deutsche Reich verbindlich, die Schweiz und Österreich folgten. Von 1955 bis 1996 war der „Duden“ maßgebend für Deutschlands amtliche Rechtschreibung, erst die Rechtschreibreform brach mit dem „Duden“-Monopol. Nur mit einem Wunsch konnte sich Konrad Duden nie durchsetzen: Er lehnte die Großschreibung als unnötige, „verdummende“ Lernanstrengung ab.

Der Rekord an Stichwörtern hat mit dem veränderten Selbstverständnis der „Duden“-Macher zu tun. Sie wollen nicht nur Regelwerk sein, sondern möglichst den aktuellen Sprachgebrauch abbilden, erklärtermaßen „Spiegel der Zeit“ sein. Das macht ihre alle drei bis vier Jahre erscheinenden Neuauflagen zu zeitgeistigen Dokumenten und nimmt dem „Duden“ das oberlehrerhafte Image, ist aber auch riskant.

Die „Arabellion“ blieb eine Eintagsfliege

Denn wer etwa redet heute noch von der „Arabellion“? Das mediale Modewort, aufgekommen im Zuge der Revolutionen im arabischen Raum, fand sich überraschend in der Neuauflage des „Dudens“ von 2013; kein Hahn kräht heute noch danach.

Im Vergleich zur neuen Lust an begrifflichen Eintagsfliegen wirkt der „Duden“ bei der Aufnahme von Anglizismen geradezu vorsichtig. Vielleicht weil er von sprachkonservativen Organisationen regelmäßig dafür gegeißelt wird? Der Verein für Deutsche Sprache etwa verlieh den „Duden“-Machern 2013 deswegen den Titel „Sprachpanscher des Jahres“). Dass längst selbstverständlich gewordene Wörter wie Selfie, Lifestream oder gar queer für nicht heterosexuelle Geschlechtsidentitäten erst heuer aufgenommen wurden, ist jedenfalls kurios. Viele eingedeutschte Schreibweisen englischer Begriffe haben sich übrigens als so wenig beliebt erwiesen, dass sie in der Neuauflage (wie „Die Presse“ bereits berichtete) wieder eliminiert wurden – Ketschup zum Beispiel.

850.000 gedruckte Exemplare haben sich von der vergangenen Auflage verkauft, obwohl das Online-Angebot des „Dudens“ zunehmend mit dem Printprodukt konkurriert. Woher kommt diese beharrliche Liebe zum gelben Buch? Vielleicht dient dieses ja auch als beruhigendes Zeichen dafür, dass zumindest sprachlich alles seine Ordnung hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2017)

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