Mit den derzeitigen Kompensationsprüfungen sinkt die Fünferquote. Wie objektiv diese Prüfungen sind, ist die Frage.
Wien. Die Maturanten bekommen derzeit eine zweite Chance. Die Kandidaten, die bei der schriftlichen Zentralmatura negativ beurteilt wurden, können sich (nur noch heute) der sogenannten Kompensationsprüfung stellen und ihren Fünfer ausbessern. Heuer werden das angesichts der hohen Fünferquote in Mathematik besonders viele Schüler tun. Dabei ist diese Kompensationsprüfung nicht ganz unumstritten.
Das liegt an den Ergebnissen der Vorjahre (siehe Grafik). In den vergangenen Jahren schafften es rund zwei Drittel der Maturanten, den Fünfer in Mathematik bei der Kompensationsprüfung auszubessern und die Matura doch zu bestehen. Dabei waren die Erfolgsaussichten in den einzelnen Bundesländern allerdings höchst unterschiedlich.
Ein gutes Beispiel ist der Vergleich der Maturaergebnisse aus dem Jahr 2016. Im Burgenland und in Salzburg fielen damals ähnlich viele AHS-Maturanten durch die schriftliche Matura (18,0 bzw. 18,9 Prozent). Nach der Kompensationsprüfung waren in Salzburg noch immer 9,7 Prozent der Schüler negativ. Im Burgenland lag die Fünferquote dann aber nur noch bei 3,5 Prozent. Einen solch erheblichen Unterschied sollte es eigentlich nicht geben. Das widerspricht dem Sinn der Zentralmatura. Immerhin sollte diese doch für mehr Objektivität sorgen.
Doch die Kompensationsprüfung bietet offenbar (zu) viel Spielraum. Ebenso wie bei der schriftlichen Matura werden auch bei der Kompensationsprüfung die Beispiele vom Ministerium zentral vorgegeben. Allerdings wird sie mündlich abgelegt. Die Maturanten haben mindestens eine halbe Stunde Zeit zur Vorbereitung und werden dann vom eigenen Klassenlehrer maximal 25 Minuten lang geprüft.
Weniger objektiv, „weil es menschelt“
Bei dieser Prüfung „verliert man ein wenig die Objektivität, weil es menschelt“, zitierte die Austria Presse Agentur kürzlich den ehemaligen Direktorensprecher Wilhelm Zillner. Und auch Herbert Weiß, der oberste AHS-Lehrervertreter, kritisiert im Gespräch mit der „Presse“ die Kompensationsprüfung: „In dieser Form ist das nicht praktikabel.“
Laut Vorgabe solle es sich bei der Kompensationsprüfung nicht um ein Prüfungsgespräch handeln, sondern um eine Ergebnispräsentation durch den Schüler. Der Prüfer dürfe sich dabei nicht einmischen. „Wenn ein Lehrer sagt: ,Schau dir dieses Ergebnis doch noch einmal an‘, dann ist das eigentlich schon zu viel der Einmischung“, sagt Weiß. Das würde sehr unterschiedlich gehandhabt, und das wirkt sich freilich auch auf die Note aus. Darauf scheint sich heuer auch das Ministerium zu verlassen. Nach dem schlechten Ergebnis der schriftlichen Mathematik-Matura bat das Ministerium zwischen den Zeilen, Milde walten zu lassen.
Im Juni werden Reformpläne verkündet
Durch die Kompensationsprüfungen können sich Schüler, die schriftlich negativ beurteilt wurden, noch auf einen Vierer oder im besten Fall sogar auf einen Dreier verbessern. Für die, die schriftlich bereits einen Vierer erreicht haben, besteht die Möglichkeit der Verbesserung nicht mehr. „Da pickt der Vierer“, sagt BHS-Gewerkschafter Roland Gangl. „Ob das gerecht ist, ist die Frage.“
Diese stellt man sich derzeit offenbar auch im Bildungsministerium. Dort dürfte sowohl darüber nachgedacht worden sein, die Kompensationsprüfung allen Maturanten zu ermöglichen, die sich verbessern wollen, als auch darüber, ob sich Maturanten, die negativ beurteilt wurden, bei der Kompensationsprüfung nur noch auf einen Vierer verbessern können sollen. Eine von vielen Überlegungen, die im Ressort gerade angestellt werden, denn Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will bei der Zentralmatura „massiv nachschärfen“. Bereits am 27. Juni sollen die Änderungspläne sowie die endgültigen Maturaergebnisse vorliegen.
Auf einen Blick
Die Kompensationsprüfung hat es vor der Einführung der Zentralmatura nicht gegeben. Damals konnten negative schriftliche Noten mit einem „Zusatz“ bei der mündlichen ausgebessert werden. Nun gibt es die Kompensationsprüfung. Sie ist Teil der schriftlichen Matura, wird aber mündlich abgehalten. Die Beispiele werden zentral vorgegeben. Wer die Prüfung nicht schafft, muss die schriftliche Klausur im Herbst wiederholen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2018)