Statt Smoking trägt man Jeans und Baseball-Kappen

Studenten-Poker hat nichts mit Casino-Flair zu tun, sondern mit kreativem Chaos. „UniLive“ schaute den Spielern an der TU-Wien in die Karten.

Wien. Um die Wurst geht es heute ausnahmsweise nicht in der Mensa der Technischen Universität. Es geht um eine X-Box. Andreas Oberhollenzer baut zwei Türme aus Spiel-Chips, stellt sie nebeneinander, hebt sie auf und lässt sie dann im Reißverschluss-System ineinander klappen. Drei Finger braucht er dazu – mag sein, dass es auch dieser Trick ist, der ihn zum besten Pokerspieler unter Österreichs Studenten macht.

Der 26-jährige Südtiroler führt die Rangliste der APSA Students Poker Tour an, die das Zocken und Bluffen seit zwei Jahren in heimische Mensen bringt. Oberhollenzer studiert Politikwissenschaft – und mehr eigentlich noch die Karten. „Meine Wohnung finanziere ich mit Poker“, erzählt er. Drei, viermal im Monat gehe er ins Casino, am liebsten sei ihm allerdings der Studentencup – obwohl es hier nicht um Geld, sondern nur um Sachpreise geht. „Man lernt Gleichgesinnte kennen, der Spaß steht im Vordergrund, es ist nicht so todernst wie im Casino.“

Sein Erfolgsgeheimnis verrät er nicht – das wäre auch eher untypisch für einen Berufsbluffer wie ihn. Nur so viel: „Es ist ein Mix aus Mathematik, Psychologie und Glück.“

Dabei sieht Oberhollenzer gar nicht aus wie ein Pokerprofi: Zerissene Jeans, schmächtige Statur. Er trinkt keinen Wodka-Martini, sondern Cola. Und statt Zigarren raucht er West lights.

Unter den 200 Teilnehmern beim TU-Turnier fällt er dennoch nur durch sein Können auf. Pokern in der Mensa hat so gar nichts vom steifen Casino-Flair. Sondern kreativen Charme: Die Esstische sind mit grünem Filz überzogen, ein DJ sorgt für eine entspannte Atmosphäre. Die Spieler werden auf 35 Sechsertische verteilt; jeder bestreitet drei Vorrunden und sammelt Punkte. Die zehn besten kommen ins Endspiel.

Man trägt Baseball-Kappen statt Smoking, trinkt Bier und raucht. Es ist eine Art Studentenparty, die um vier Uhr nachmittags beginnt und bis in die Nacht hinein dauert – mit dem Unterschied, dass (zunächst) nicht gefeiert, sondern gepokert wird.

Petra Rupp ist eine von wenigen Frauen, die mitspielen – dafür zeigt sie den fünf Männern an ihrem Tisch, was zocken wirklich heißt. Einen nach dem anderen nimmt sie aus und zwischendurch schreibt sie noch ein paar SMS.

Verrucht und illegal war gestern

Dabei spielt sie erst seit März, erzählt sie. „Mir ist es egal, ob es um Geld oder um eine X-Box geht. Das Spielen an sich macht den Reiz aus.“ Warum Poker nach wie vor eine Männerdomäne ist, versteht sie nicht: „Wahrscheinlich, weil es immer noch den Ruf hat, verrucht und illegal zu sein – dabei ist das mittlerweile alles ganz anders.“ Das Rupp'sche Erfolgsrezept ist ein Cocktail aus Psychologie und Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie die 25-Jährige gesteht – dafür will sie unbedingt wissen, ob die Nummer eins, Andreas Oberhollenzer, auch das seinige verraten hat. „Der ist so etwas wie mein Idol. Er ist einfach wahnsinnig gut.“

In der ersten Vorrunde trifft das heute weniger zu. Oberhollenzer scheidet frühzeitig aus: „Zwischendurch habe ich ein paar Mal eine schlechte Hand gehabt. Jetzt brauche ich zwei Siege, um ins Finale zu kommen.“ Sagt's, streckt sich einmal ordentlich durch – und schreitet zum nächsten Tisch: „Jetzt geht's um die Wurst.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2007)

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