Wenn das Studium beim Sport auf Eis liegt

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denise koegl(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Guenter Floeck)
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Denise Kögl ist eine der besten Eiskunstläuferinnen des Landes. Ihren Beruf mit dem Studium zu verbinden ist fast unmöglich.

Wenn man kein Fußballer oder Skifahrer ist, hat man in Österreich fast keine Chance.“ Denise Kögl, 21-jährige BWL- und Englisch-Studentin, war im vergangenen Jahr Staatsmeisterin im Eiskunstlauf, in diesem Jahr trotz Sprunggelenksverletzung Dritte. Kämpfen muss sie aber nicht nur gegen die Konkurrenz, sondern auch an der Uni. Training, Wettkämpfe und Anwesenheitszeiten lassen sich nämlich nur schwer unter einen Hut bringen. Bildungswillige Leistungssportler haben es – insbesondere in Randsportarten – schwer.

Für insgesamt drei Kurse wurde Kögl dieses Semester zugelassen. Geplant war, allein im Hauptfach Englisch mindestens vier Seminare zu belegen. Die begehrten Studienplätze werden nach einem Leistungssystem vergeben. Schlechtere Noten im vorigen Semester verringern die Chancen, in den nächsten Kurs zu kommen. Fast überall herrscht Anwesenheitspflicht, nur dreimal pro Semester darf man fehlen. Wer öfter abwesend ist, fliegt raus und wird mit „Nicht genügend“ bewertet.

Für Sportler mit Ambitionen ein kaum zu durchbrechender Teufelskreis. „Ich trainiere fünf oder sechs Mal pro Woche. Zwei Mal eine Stunde täglich am Eis, davor jeweils eine Stunde aufwärmen“, sagt Kögl. Ballett und Conditioning kommen einmal wöchentlich extra dazu. Für Uni-Kurse bleibt deswegen nur vor zehn Uhr vormittags Zeit. Danach geht es in die Eishalle in Graz-Liebenau.

Ein Beruf, der kostet

Dort konzentriert sich allerdings das eisläuferische Leben der gesamten Umgebung. Alle Vereine und Hobbysportler wollen nämlich gleichzeitig ihre Kurven ins Eis kratzen. Für Kögl gibt es wegen des dichten Verkehrs am Grazer Eis nur Trainingsnischen, um zwischenzeitlich die Fläche ganz für sich allein zu haben.

Schon im Alter von 18 Monaten machte sie mit viel zu großen Schuhen und fünf Paar Socken ihre ersten Geh-, genau genommen Laufversuche auf dem Eis. Der Sport hat in Kögls Familie Tradition. Die Mutter, Marina Kögl, gewann mit 17 Jahren die Junioren-Staatsmeisterschaft, musste dann aber verletzungsbedingt die Schlittschuhe an den Nagel hängen. Großes Vorbild für die Studentin ist Oma Elli Kögl-Staerck: Sie wurde 1951 EM-Vierte in Oslo und WM-Sechste in London. Heute kümmern sich die beiden Damen zusammen um ihren Schützling Denise.

Sport und Studium gemeinsam zu finanzieren sei nicht immer einfach, erzählt Marina Kögl: „Um vernünftig trainieren zu können, braucht man ca. 30.000 Euro pro Jahr. Hallenmieten, die Reisen zu den Bewerben und die Trainingslager kosten Unsummen.“ Eine Stunde Eiszeit, in der die Studentin alleine in Liebenau trainieren kann, kostet 120 Euro. Und in den Sommermonaten gibt es in Graz überhaupt kein Eis. Schon seit zehn Jahren trainiert die 21-Jährige deshalb in der warmen Jahreszeit mit Spitzenathleten in Los Angeles.

Prüfung oder Wettkampf?

Unterm Jahr übt sie immer wieder in Italien oder im deutschen Oberstdorf. Die Kosten trägt zum größten Teil Mutter Marina, der Verband schießt nur wenig zu.

Ende Jänner steht die EM in Helsinki auf dem Programm; genau während der Prüfungswoche. Weitere Uni-Probleme sind vorprogrammiert. Eine Fachhochschule sei wegen der fixen Zeiten für sie nie eine Alternative gewesen. Wie sich aber herausstellte, ist es an der Uni auch nicht besser. „Ich habe eigentlich gedacht: Toll, da bin ich endlich flexibel mit dem Training. Aber das war ein Irrglaube.“

Im Sport-BORG Monsbergergasse, in das sie eine Klasse unter Fußball-Teamspieler Sebastian Prödl ging, stand das Training noch auf dem Stundenplan. Seit der Matura ist alles schwieriger geworden.

Deshalb war der Studienerfolg zuletzt bescheiden. Zu wenige Prüfungsstunden im letzten Jahr belasten das Budget zusätzlich. Mutter Marina: „Da sollte man meinen, dass es Sonderregelungen für Sportler gäbe. Immerhin vertritt Denise Österreich bei Welt- und Europameisterschaften. Und dann wird man für die sportlichen Erfolge nicht nur wenig unterstützt, sondern hintenherum sogar bestraft.“

Aufgeben? Niemals!

Ans Aufgeben denkt die 21-jährige Eisakrobatin aber nicht: „Was mich am Eislaufen hält? Ich liebe es.“ Auch wenn es gesundheitlich nicht immer gut gelaufen ist. Vor zwei Jahren war sie ständig krank, nahm aber trotzdem an ihren Wettkämpfen teil. „Mit Medikamenten, weil man halt nichts versäumen und auslassen will. Man sagt sich immer: Irgendwie wird es schon gehen.“ Es ging nicht. Mit Nierenversagen landete sie im Krankenhaus. Das hat ihr die Augen geöffnet, Wettkämpfe um jeden Preis sind mittlerweile tabu.

„Mein Körper ist mir viel wichtiger geworden.“ In der Branche gebe es in Sachen Gesundheit ohnehin Probleme. Viele Athleten würden jedes Gramm Körpergewicht zählen. „Es gibt bei uns ein Riesenpotenzial für Essstörungen, vor allem bei den Damen. Für mich aber nicht: Dafür esse ich viel zu gerne“, sagt Kögl lachend. Nebenbei arbeitet sie manchmal als Model.

ZUR PERSON

Denise Kögl wurde am 3. August 1988 in Graz geboren. Sie studiert BWL und Englisch an der Karl Franzens Universität, ist außerdem eine der besten Eiskunstläuferinnen des Landes. Wie viele Leistungssportler in Randsportarten klagt sie über die schlechte Vereinbarkeit von Sport und Studium in Österreich. [Helmut Lunghammer]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2008)

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