INTERVIEW: „Ohne uns bricht die Lehre zusammen“

Annemarie Steidl, Vorsitzende der „IG externe LektorInnen und freie WissenschafterInnen“, fordert sichere Anstellung.

Die Presse: Die externen Lektoren und Lektorinnen werden erstmals von einem einheitlichen Dienstrecht erfasst. Sind Sie zufrieden?
Annemarie Steidl: Nein. Die externen LektorInnen bzw. unser Verein haben eine Stellungnahme zum Kollektivvertrag erarbeitet: Natürlich begrüßen wir im Prinzip die Einführung von Tenure-Track-Stellen, aber für externe LektorInnen und freie WissenschaftlerInnen, die auch zu unserem Klientel gehören, sind die kollektivvertraglichen Regelungen völlig unzureichend.


Warum?
Steidl: Einerseits gibt es für uns im Gegensatz zu den Laufbahnstellen keinerlei Abgeltung des Erfahrungsgewinns. Unbefristete Stellen an der Uni haben ein normales Gehaltsschema, man steigt aufgrund des Erfahrungsgewinns auf. Das ist für LektorInnen nicht vorgesehen. Es gibt überhaupt keine Regelungen bezüglich eines Kündigungsschutzes, auch wenn man länger dabei ist. Es muss die Einsicht kommen, dass es auch für LektorInnen zu langfristigen akademischen Karrieremöglichkeiten kommen muss. Sonst führt das zu einer Demotivierung. Sonst gehen gute Leute ins Ausland.


In einer Eigenbeschreibung skizzieren die Externen ihr Profil als „zwischen vogelfreier Verschubmasse und Kleinhonoratoren“.
Steidl: Das sind sicher Schlagworte. Das Klientel der externen LektorInnen ist unheimlich breit, das geht von Projektmitarbeitern und -mitarbeiterinnen mit Verträgen für zwei, drei Jahre bis zu einem Bankmanager, der einmal einen Vortrag hält. Der überwiegende Teil steht in überaus prekären Arbeitsverhältnissen. Und es gibt die sogenannten ExistenzlektorInnen, die nur davon leben.


Wie groß ist diese Gruppe?
Steidl: Bei einer Erhebung im Jahr 1999 war es eine Zahl von bis zu 6000 österreichweit.

Und wie viele leben nur davon?
Steidl: Das ist schwer zu sagen. In den letzten Jahren hat man versucht, ExistenzlektorInnen Verträge zu geben, z.B. bei der Translationswissenschaft.

Wie würde es mit der Lehre ausschauen, sollte es von heute auf morgen diese Gruppe nicht geben?
Steidl:
Ganz schlimm. Es ist natürlich nach Fakultäten unterschiedlich. An der Uni Wien gibt es jede Menge Institute, an denen mehr als die Hälfte der Lehre von Externen bestritten wird, am Politologie-Institut sind es über 100 Externe. An einigen Instituten würde die Lehre ohne uns ganz sicher vollkommen zusammenbrechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

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