Rektor Winckler warnt vor Deutschen-Bashing

Rektor Winckler
Rektor Winckler(c) Clemens Fabry
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Georg Winckler von der Uni Wien nimmt im Interview mit der "Presse" deutsche Studenten in Schutz (die sich auch recht zahlreich unter den Besetzern finden): "Wir sind froh über Internationalität."

„Die Presse“: An mehreren deutschen Unis gab es Besetzungsversuche von Studenten. Man drohte ihnen mit Uni-Ausschluss und Anzeigen. Damit war das beendet. Sympathisieren die österreichischen Lehrenden so sehr mit den „Audimaxisten“, dass man hier untätig bleibt?

Georg Winckler: Wir setzen auf Dialog. In Deutschland gab es in den letzten Jahren verschiedenste Protestbewegungen, was zu Verhärtungen geführt hat. Wahrscheinlich hat man deshalb relativ schnell hart durchgegriffen.

Ist das nicht professioneller, als einen Hörsaal, dessen Renovierung gerade Millionen gekostet hat, den Besetzern zu überlassen?

Winckler: Die baustatische Renovierung und die neue Ausstattung sind ja nachhaltig.

...und kann kaum ruiniert werden?

Winckler: Das kann man nicht so schnell ruinieren. Meine Sorge ist, dass sich die österreichische Politik nicht mit den entscheidenden Fragen beschäftigt: Wie viele Studierende gibt es, welche Finanzierung ist adäquat, was sind europäische Standards, wie kann man den Fachhochschulsektor gegenüber dem Universitätssektor abgrenzen, wie viel Geld soll der Wisenschaftsfonds haben?

Österreich hat heuer 300.000 Studenten. Zu viel oder zu wenig?

Winckler: Wir brauchen mehr Breite und mehr Spitze. Die skandinavischen Staaten haben das Ziel, dass für mindestens 50Prozent eines Jahrgangs Studienplätze zur Verfügung stehen. Aber man wird nicht an allen Unis für alle Studienrichtungen zugelassen.

Brauchen wir zum Beispiel wirklich 7000 Publizistikstudenten?

Winckler: Ich würde das nicht auf die Publizisten zuspitzen. Der Minister spricht von zehn besonders nachgefragten Studienrichtungen. Das Interesse an Naturwissenschaften ist nicht stark genug. Man bräuchte an den Schulen mehr entdeckendes Lernen, mehr Experimente statt nur trockenes Abprüfen der Inhalte. Die Unis sind schon wesentlich weiter. Wir haben zum Beispiel die Autonomie 2004 benutzt, um Laborräume für Studierende zu verbessern.

Der Rektor ist jetzt Manager, der auch Geld umschichten kann. Was steht Ihnen als Globalbudget an der Uni Wien zur Verfügung?

Winckler: Die Universität Wien hat ein Jahresbudget von 400 Millionen Euro, ein Teil davon sind Drittmittel. München oder Zürich haben deutlich mehr Geld. Die Personalkosten machen zwei Drittel des Budgets aus. Dennoch haben wir die Zahl junger Wissenschaftler in fünf Jahren um circa 1000 Personen und damit auch die Lehrstunden um knapp 15Prozent erhöht. Das Problem ist nur, dass wir im Herbst einen Zuwachs von zehn Prozent Studenten hatten.

Soll Deutschland für die deutschen Studenten hier zahlen?

Winckler: Warum sollte Deutschland Studienplätze in Österreich finanzieren, die man in Deutschland nicht finanzieren will? Im Zeitalter der Mobilität muss man ähnliche Regelungen wie in Deutschland suchen. Wer aber den offenen Hochschulzugang in einem offenen Europa haben will, muss ganz andere finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Wir wissen zum Beispiel, dass sehr viele Osteuropäer hier studieren wollen.

Weil Wien eine nette Stadt ist, nicht weil die Universität so toll ist, oder?

Winckler: Die Universität Wien ist im Ranking der „Times Higher Education“ im Forschungsbereich Nummer70 in der Welt. Wir sind in einer Reihe von Fächern – Physik, Mathematik, Molekularbiologie und auch bei Geisteswissenschaften – europaweit hoch beachtet. Schlecht sind wir nur bei den Betreuungsverhältnissen.

Studenten kämpfen zum Beispiel auch mit einer universitären Anmeldesoftware, die ständig zusammenbricht, Seminaranmeldungen werden so zum Glücksspiel.

Winckler: Es ist schon möglich, dass das System durch die höheren Studierendenzahlen in diesem Semester unter Stress geriet. Früher musste man sich in der Nacht stundenlang anstellen. Insgesamt ist die Universität wesentlich serviceorientierter geworden.

Die neue Bologna-Struktur wird von den Unibesetzern kritisiert. Auch Professoren sagen, dass das, was bei der Umsetzung herausgekommen ist, unadministrierbar und für Studenten unzumutbar ist.

Winckler: Es haben sich viele Fächer in das Curriculum hineinreklamiert, weil sie Sorge hatten, dass man ihre Existenz infrage stellen könnte. Man sieht in fast allen europäischen Ländern, dass die Bologna-Strukturen einer Nachjustierung bedürfen, weil in einer ersten Phase die Studienpläne überladen sind.

Schauen Sie als Manager nach, ob Lehrende ihre Dienstverträge überhaupt einhalten? Da gibt es oft jede Menge Nebentätigkeiten.

Winckler: Wir werden sehr wohl aktiv – bis hin zu Disziplinarverfahren. In den letzten Tagen haben wir sogar einen Professor entlassen. Aber das hängen wir aus begreiflichen Gründen nicht an die große Glocke.

Wie lange schauen Sie bei den Besetzern noch zu?

Winckler: Wir stellen uns dem Dialog, allerdings mit der Bedingung, dass die Hochschülerschaft das Gespräch vorbereitet.

Kann man mit „Audimaxisten“ einen Dialog führen?

Winckler: Wichtig ist, dass Vertreter nominiert werden. Bei den Besetzern gibt es ein Spektrum von Personen, darunter auch internationale Studierende.

Deutsche, die daheim gar keinen Studienplatz hätten.

Winckler: Ja, aber ich warne vor einem Bashing. Wir sind froh über Internationalität. Eines der großen Probleme des Nachkriegsösterreich war das fehlende Bewusstsein, wie provinziell man in vielen Bereichen geworden war. Die Universität Wien hat jetzt einen Anteil an internationalen Studierenden von 15 bis 20Prozent. Das wollen wir durchaus halten.

Trotzdem: Gibt's eine Deadline für die Besetzer?

Winckler: Minister Hahn lädt am 25.November zum Dialog ein. Es ist zu befürchten, dass die Besetzung bis dahin anhalten wird.

UNI-BESETZUNG

Tag 21, 11:30 Uhr. Die Proteste, für die die ÖH nun 100.000 Euro zur Verfügung stellt, verlieren weiter an Kraft. Im Audimax der Uni Wien (Bild) hielten Montagvormittag nur wenige die Besetzung aufrecht. Für Mittwoch haben die Studenten das Rektorat ins Plenum geladen. Die Uni-Leitung hingegen will nur mit „ausgewählten Vertretern“ sprechen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2009)

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