Badelt: „Protestbewegung hat sich von Lösung entfernt“

(c) Clemens Fabry
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Christoph Badelt tritt als Rektorenpräsident ab und kritisiert im Gespräch mit der "Presse" die Audimax-Besetzer.

„Die Presse“: Sie sind seit 2005 Präsident der Universitätenkonferenz und treten dafür nicht mehr an. Sind viereinhalb Jahre genug?


Christoph Badelt: Da gibt es zwei Bündel von Motiven. Das eine ist die persönliche Seite: Ich versuche zu analysieren, wo mein persönlicher Zeiteinsatz am meisten bringt. Ich bin draufgekommen, dass ich mit meinen politischen Anliegen einige erreicht habe und einige offensichtlich nicht erreichen werde. Es ist jetzt besser, meine Zeit wieder mehr der Universität zu widmen. Zweitens glaube ich, dass es in einer Demokratie gescheit ist, dass einer aus dem Amt geht, obwohl er eigentlich nicht gehen müsste.


Gerade jetzt gibt es eine heikle Universitätsphase wie schon seit Langem nicht. Ist das nicht eine Flucht vor der Verantwortung?


Badelt: Ich habe diese Entscheidung getroffen und meinen Kollegen mitgeteilt, bevor die Demonstrationen ausgebrochen sind. Ich möchte aber schon sagen: Wir haben lauter heikle Phasen gehabt, in den letzten Jahren UG-Reformen, Kollektivvertrag, Leistungsvereinbarungen, jede Menge an Budgetthemen. Ruhig war es eigentlich nie.

Bleiben wir noch bei der aktuellen Situation: Was wäre, wenn auf Ihrer Wirtschaftsuniversität der größte Saal besetzt wäre? Würden Sie das Wochen hindurch tolerieren?


Badelt: Ich werde einem anderen Rektor nicht direkt oder indirekt Ratschläge über die Medien geben. Wir haben an der WU auch eine kleine Protestbewegung, mit der ich im Gespräch bin. Die gesamte Protestbewegung hat sich in den letzten Wochen nach meiner Beobachtung immer mehr von einer Lösung entfernt, weil die Forderungen immer genereller und allgemein gesellschaftskritischer geworden sind und es daher sehr schwer ist, daraus konkrete Handlungskonsequenzen zu ziehen.

Die erste Hauptforderung der Studierenden war: Mehr Geld für die Universitäten. Sie selbst haben sich unmittelbar nach dem Budgetvoranschlag dieses Jahres sehr zufrieden zu der Steigerung geäußert.


Badelt: Ich stehe zu der damaligen Entscheidung. Wir haben auch in der Universitätenkonferenz die ursprünglich im September des Vorjahres errechnete Roadmap – bevor die Wirtschaftskrise richtig losgegangen ist – adaptiert, weil wir sagen, als Rektoren haben wir auch einen Blick für das Gesamtgesellschaftliche. Wir glauben, dass es in einer Zeit, in der die Budgets aus allen Nähten platzen, besser ist, vernünftige Forderungen zu stellen. Das ist aber kein Widerspruch zu den jetzigen Forderungen. Denn seither haben sich zwei Dinge getan: Zum einen ist es uns damals nicht gelungen – und wir fordern es jetzt noch mehr –, eine verbindliche Roadmap für die Zukunft zu bekommen. Zum anderen hat niemand gewusst, wie extrem rasch die Studierendenzahlen steigen. Außerdem sind die Infrastrukturabgeltungen für Forschungsprojekte einfach weggefallen. Das bringt viele Universitäten in massive Schwierigkeiten.


Sind die Rektoren und sind Sie jetzt für Zugangsbeschränkungen?


Badelt: Nicht notwendigerweise. Den Universitäten, insbesondere den überlasteten Studienrichtungen, wurde immer mehr Geld für den Ausbau der Kapazitäten zugesagt, das hat es aber nie gegeben. Was bleibt, sind die zum Teil problematischen indirekten Auswahlsysteme, die wir heute haben.

Es gibt große Kritik am Bolognasystem, speziell am Bachelorstudium. Ist die Umsetzung wirklich ideal verlaufen?


Badelt: Ich glaube, dass die gegenwärtige Kritik in Einzelfällen richtig ist. Ich glaube aber auch, dass es sehr ungerecht ist, hier vorschnell zu verallgemeinern. Wir haben über 300 Bachelorstudien in Österreich, und die sind sicher nicht alle schlecht. Wir haben sehr erfolgreiche Bachelorstudien, bei denen es möglich ist, die Berufsorientierung mit der akademischen Freiheit zu kombinieren. Man soll aufhören, das System insgesamt zu verteufeln.

Im Rückblick: Was waren die Höhepunkte, was die negativen Erfahrungen als Rektorenpräsident?


Badelt: Was mich persönlich gefreut hat, ist, dass es uns gelungen ist, trotz oft divergierender Meinung in zentralen Fragen ein gemeinsames Bild nach außen zu entwickeln. Kritisch? Genau das, was ich jetzt als positiv darstelle: Dahinter steht schon sehr viel Kraftaufwand. 21 Rektoren, also 21Individualisten zusammenzubringen...


Zuletzt gab es Kritik von TU-Rektor Skalicky an der Universitätenkonferenz. (Diese sei ein „Frühstückskabinett“, bei den Hörsaalbesetzungen habe es keine Meinungsfindung aller Unis gegeben.)


Badelt: Die Kritik, die Skalicky geäußert hat, entspricht meiner Meinung nach nicht den Fakten. Er hat mir vorgeworfen, ich habe mich zu den Protesten zu wenig öffentlich geäußert. Wir haben jede Menge Pressekonferenzen, fast 50 Mal öffentliche Äußerungen in den Medien, Liveauftritte im Fernsehen zu den Themen der Proteste gehabt. Ich glaube, wir haben mit großer Vehemenz unsere Anliegen vertreten.

ZUR PERSON

Christoph Badelt (57), Sozialwissenschaftler („Wissenschafter des Jahres 1999“), ist seit 2002 Rektor der Wirtschaftsuniversität und seit 2005 Präsident der Universitätenkonferenz. Bei der Präsidiumssitzung heute, Montag, in Linz kandidiert er für den Rektorenvorsitz nicht mehr. Ihm wird voraussichtlich Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, nachfolgen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2009)

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